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Begründung: Flüchtlinge?
Michael Schlecht, MdB,
wirtschaftspolitischer Sprecher
Fraktion DIE LINKE – 10. Dezember 2015
Der Zustrom von Flüchtlingen ist nicht nur eine Herausforderung für Europa und Deutschland – er ist auch eine Gelegenheit. Zum Beispiel für die Vertreter der Unternehmen. Sie fordern inzwischen eine Aufweichung des Mindestlohns – Geflüchtete sollen sich auch billiger anbieten können, natürlich nur zum Wohle der Armen und Entrechteten. Unterstützt werden die Arbeitgeber dabei von einschlägig bekannten Ökonomen und CDU-Politikern. Mit ihren Forderungen versuchen sie, Lohnabhängige, Ausländer und Arbeitslose gegeneinander auszuspielen.
Aus dem Unternehmerlager kommt der Vorschlag, für Flüchtlinge Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn zuzulassen. Denn mit 8,50 Euro die Stunde seien die gering qualifizierten Zuwanderer zu teuer für deutsche Unternehmer. Ins gleiche Horn stoßen CDU-Politiker wie Jens Spahn, aber auch der Sachverständigenrat, der die Bundesregierung berät: Die so genannten „Wirtschaftsweisen“ fordern zeitlich begrenzte Ausnahmen vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge – wobei die zeitliche Begrenzung ziemlich lang ausfällt: 12 Monate. Und der Ökonom Hans Werner Sinn will angesichts der Flüchtlingskrise den Mindestlohn gleich ganz abschaffen, das Renteneintrittsalter erhöhen und eine neue „Agenda 2010“ umsetzen.
Was ist davon zu halten?
Als erstes fällt auf: Jene, die heute Ausnahmen für Flüchtlinge fordern, sind genau die, die schon immer gegen den Mindestlohn waren. So schrieb der Sachverständigenrat bereits vor einem Jahr „Der Mindestlohn stellt vor allem mit Blick auf das Entstehen neuer Arbeitsplätze ein Problem dar, insbesondere für Geringqualifizierte.“ Da der Mindestlohn nicht – wie von seinen Gegnern angekündigt – hunderttausende Jobs gekostet hat, suchen sie nun ein neues Argument. Da kommen ihnen die Bürgerkriegsflüchtlinge gerade recht.
Für seine Gegner ist der Mindestlohn zu hoch – dabei wird von dem keiner reich. 1400 Euro brutto für Vollzeitarbeit, mehr erhält ein Mindestlöhner nicht. Dennoch wollen die Unternehmer ein neues Billig-Segment am deutschen Arbeitsmarkt einrichten – laut eigener Aussage, um die „Integration“ der Zuwanderer zu erleichtern.
Das ist zynisch.
Denn erstens würde damit dem Missbrauch durch die Unternehmen Tür und Tor geöffnet – wer zahlt schon Mindestlohn, wenn er eine Arbeitskraft noch billiger bekommen und sich damit auch noch als Integrations-Helfer feiern lassen kann?
Bereits jetzt gilt der Mindestlohn nicht für Pflichtpraktikanten, für Auszubildende, für Minderjährige und für Langzeitarbeitslose. Kommen nun auch noch die Geflüchteten dazu, dann entsteht ein breites Sonderangebot für die Unternehmen, an dem sie sich nach Belieben bedienen können. Mit diesen Zwangsverbilligten müssen die anderen Lohnabhängigen dann in Konkurrenz treten. So werden gerade die Ärmsten auf- und gegeneinander gehetzt.
Dies wäre drittens eine Vorlage für all jene, die in den Geflüchteten schon heute eine Bedrohung für sich sehen. Wachsende Ausländerfeindschaft ist damit programmiert. Dabei besteht die Bedrohung in Wahrheit in jenen, die die Flüchtlinge als Hebel benutzen wollen, um Arbeitnehmerrechte zu schwächen.
Für die LINKE ist dagegen klar: Gerade angesichts der zusätzlichen Arbeitskräfte braucht Deutschland eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte, um eine haltlose Konkurrenz der Jobsucher zu vermeiden! Außerdem braucht es einen allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohn ohne Ausnahmen von mindestens 10 Euro. Das ist gerecht, weil jeder von seinem Einkommen leben können muss. Es ist es gut für die Wirtschaft – derzeit trägt der private Konsum das Wirtschaftswachstum, was unter anderem am Mindestlohn liegt, der die Einkommen erhöht. Und schließlich kommt es deswegen auch nicht zu dem massenhaften Arbeitsplatzabbau, vor dem immer wieder gewarnt wurde.
Es ist wahr: Viele der Menschen, die derzeit nach Deutschland kommen, sind jung und geringer qualifiziert als der Durchschnitt hier zu Lande. Die Lösung für dieses Problem liegt auf der Hand: Qualifikation und Ausbildung! Das kostet Geld, klar. Aber erstens ist das Geld da, der deutsche Staatshaushalt verzeichnet Milliardenüberschüsse. Zweitens wäre es eine Investition in die Zukunft. Denn Deutschland braucht keinen wachsenden Sektor mit Armutslöhnen für Hilfsarbeiter. Sondern gut ausgebildete Fachkräfte.
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