Orientierung

Dienstag, 29. November 2016

Ich spreche auch über Rot-Rot-Grün

Dr. André Hahn in seinem Wahlkreisbüro
im Haus für Viele(s) in Meißen/ Foto: Rode
Der Bundestagsabgeordnete André Hahn aus Gohrisch über die Wahlen, die AfD und das, worüber er nicht reden darf. 


Interview von Domocos Szabo
Sächsische Zeitung 
28.11.2016, Ausgabe Pirna

Zur Person 

Seit 22 Jahren ist André Hahn aus Gohrisch Politiker auf Landes- und Bundesebene. 2013 wurde er in den Bundestag gewählt. Die Nominierung für die nächste Legislaturperiode hat er seit Anfang November in der Tasche. Er bekam auf einem Kreisparteitag der Linken 98,9 Prozent. 

Der 53-Jährige arbeitet nicht nur in verschiedenen Ausschüssen des Parlaments mit, er ist zudem der einzige Linke im FC Bundestag. Als Stürmer schoss er bereits sein erstes Tor bei einem Turnier gegen Finnland. 

Vier Gegenkandidaten für die Bundestagswahl im Herbst 2017 stehen fest: Klaus Brähmig (CDU), Klaus Wolframm (SPD), Lothar Brandau (FDP) und Frauke Petry (AfD). 

Der Termin der Wahl steht noch nicht fest. Sie muss gemäß Gesetz zwischen dem 23. August und dem 22. Oktober stattfinden. (SZ/dsz) 
Könnte ein breites Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei nach der Bundestagswahl 2017 eine Option werden? Für den Bundestagsabgeordneten André Hahn aus Gohrisch ist das durchaus überlegenswert. Allerdings sieht er dafür auch ernsthafte Hürden. 

Herr Hahn, Sie sind für die Bundestagswahl 2017 nominiert und waren alleiniger Kandidat beim Kreisparteitag der Linken. Hätten Sie sich mehr Konkurrenz gewünscht – so wie bei der CDU?

Bei der CDU gab es deshalb Gegenkandidaten, weil einige mit der Arbeit des langjährigen Abgeordneten Klaus Brähmig offenbar nicht mehr zufrieden waren. Ich empfinde es als Kompliment und große Unterstützung für den anstehenden Wahlkampf, dass ich in meiner Partei eine wirklich breite Unterstützung erhalten habe. 

Wie sehen Sie Ihre eigenen Chancen als Direktkandidat?

Ich will vor allem dazu beitragen, dass wir als Partei ein sehr gutes Zweitstimmenergebnis erhalten, denn das entscheidet darüber, wie viele Abgeordnete der Linken im nächsten 
Bundestag sein werden. Seit 1990 hat die CDU das Direktmandat hier im Landkreis gewonnen. Aber das muss ja nicht ewig so bleiben. 


Wie sind Ihre Aussichten, über die Landesliste ins Parlament zu kommen?

Darüber entscheidet eine Vertreterversammlung, die bei uns erst im April nächsten Jahres stattfinden wird. Beim letzten Mal war ich auf Platz 2, und ich werde mich wieder für einen vorderen Platz bewerben, denn ich möchte auch im nächsten Bundestag dabei sein. 

Erstmals tritt im Landkreis die AfD bei einer Bundestagswahl an, und zwar mit Frauke Petry. Wie wird sich das auf das Stimmenverhältnis auswirken?

Viele Unzufriedene wollen ihrer Verunsicherung, auch ihrem Protest einfach mal Luft machen. Ich denke aber, dass jede Stimme für die AfD eine verlorene Stimme ist. Denn von dort kommt nichts, keine konkreten Ideen – da ist ganz viel Populismus und leider auch Rassismus. Wer wirklich etwas verändern und einen Politikwechsel herbeiführen will, muss die demokratische Opposition stärken. 

Aber Frau Petry dürfte als prominentes Gesicht viele Stimmen sammeln…

Das mag sein, aber da wetteifern dann Herr Brähmig und sie um den Zuspruch im konservativen und rechtspopulistischen Lager. Wir als Linke bieten eine echte und vor allem soziale Alternative dazu an. Deshalb könnte es am Ende tatsächlich ziemlich eng werden. Mein Interesse ist vor allem eine starke Linke. 


Sie wollen die demokratische Opposition stärken. Ist das eine Absage an ein breites Linksbündnis auf Bundesebene?

Nein, überhaupt nicht. Es muss ein glaubwürdiges Gegenangebot zur jetzigen Regierung geben, vor allem zur Union. Deshalb bin ich sehr dafür, dass man Gespräche führt über Rot-Rot-Grün, und ich bin dabei. Man muss zugleich sehen, dass es noch erhebliche Differenzen gibt, vor allem zur SPD, was Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland oder die immer weitere Aufrüstung der Geheimdienste anbelangt, und auch in Sachen Verteilungsgerechtigkeit und der überfälligen Angleichung der Ost-Renten an das Westniveau. Im Moment reicht es ja nicht einmal rechnerisch, wenn man sich die Umfragen ansieht. 

Sie sind stellvertretender Vorsitzender im Kontrollgremium für die deutschen Nachrichtendienste und zugleich ein überaus scharfer Kritiker der Geheimdienste. Wie passt das zusammen, und ist deren Arbeit nicht notwendig, um Anschläge zu verhindern?

Natürlich begrüße ich es, wenn Anschläge verhindert werden können. Wichtig ist aber vor allen, die Polizei zu stärken, die für die Aufklärung und Verhinderung von Verbrechen da ist. Gerade das hat man in Sachsen lange sträflich vernachlässigt… 

...aber zur Verhinderung von Anschlägen kamen Hinweise von ausländischen Geheimdiensten, etwa aus den USA oder aus Israel...

Ich darf über die Arbeit im Kontrollgremium nicht reden, würde mich sonst strafbar machen. Geheimdienste sind gewissermaßen ein Fremdkörper in der Demokratie. Sie lassen sich nicht wirklich umfassend kontrollieren. Sowohl durch die NSA als auch beim BND wurden jahrelang Recht und Gesetz gebrochen, wie wir im Untersuchungsausschuss, dem ich angehöre, festgestellt haben. 

Und die Lösung?

Man muss Geheimdienste perspektivisch überwinden. Dafür gibt es derzeit keine Mehrheit im Parlament. Deshalb versuche ich, zumindest alle vorhandenen Kontrollmöglichkeiten so gut wie irgend möglich zu nutzen. Das ist kein Widerspruch. 

Sie sind auch im Sportausschuss des Bundestages. Wie sehen Sie die Zukunft der Altenberger Bobbahn?

Die Bahn ist ein Aushängeschild für unsere Region. Ich will sie erhalten, auch wenn der Unterhalt für den Kreis nicht billig ist. Deshalb habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass sich der Bund an notwendigen Investitionen in die sportliche Infrastruktur in Altenberg beteiligt, und ich freue mich sehr, dass die Bob- und Skeleton-WM 2020 dort stattfinden wird. 

Befürchten Sie, dass es durch etwa ausbleibende Erfolge weniger Förderung für die Sportarten in Altenberg geben wird?

Über die künftige Spitzensportförderung wird in Kürze entschieden. Ich meine, dass nicht allein Medaillen das entscheidende Kriterium sein dürfen. Im Bob- und Rennschlittenbereich sind wir gut aufgestellt, im Biathlon fehlen in der Region im Moment die Top-Athleten. Aber ich glaube, es wird eine gute Nachwuchsarbeit gemacht. Darauf muss man aufbauen. 

Welche Projekte wollen Sie im Landkreis voranbringen, sollten Sie 2017 wiedergewählt werden?

Jetzt sollte man erst einmal Rechenschaft ablegen. Ich habe bisher über 180 Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Viele davon haben den Landkreis betroffen, zu Themen wie Bahnlärm, Elbestaustufen, Tiefflüge der Bundeswehr über dem Nationalpark, Tourismusförderung oder die Südumfahrung von Pirna. Gerade beim Bahnlärm muss endlich etwas passieren. Eine neue Bahntrasse durchs Osterzgebirge ist – wenn überhaupt – frühestens in 20, 30 Jahren fertig. Solange können die Menschen im Elbtal nicht warten. Sie brauchen jetzt Unterstützung. Dafür will ich mich ebenso weiter stark machen wie für die Integration der bei uns lebenden Flüchtlinge. Das wird nicht immer einfach sein, aber ich bin sehr dankbar, dass sich so viele Helferinnen und Helfer hier engagieren. 

Das Gespräch führte Domokos Szabó.

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