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Ein Lese-Tipp
von Dr. G. Dietmar Rode
Im Jahr der Europa-, Kommunal- und Landtagswahlen, ein Jahr
nach den Bundestagswahlen, könnte man mal etwas über Parlamentarismus lesen.
Roger Willemsen bietet uns da etwas an, denke ich: „Das Hohe Haus.
Ein Jahr im Parlament“ (S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014, 398 Seiten).
Es hat immer schon politische Bücher gegeben, die mit Pauken und Trompeten angekündigt wurden, und die man dann nicht zu lesen brauchte, weil sie zur Genüge in aller Öffentlichkeit hin und her zitiert und zerrissen wurden. Aber bei diesem lohnt es sich, nicht lesen zu lassen, sondern es selbst zu tun.
Es hat immer schon politische Bücher gegeben, die mit Pauken und Trompeten angekündigt wurden, und die man dann nicht zu lesen brauchte, weil sie zur Genüge in aller Öffentlichkeit hin und her zitiert und zerrissen wurden. Aber bei diesem lohnt es sich, nicht lesen zu lassen, sondern es selbst zu tun.
Roger Willemsen, der wohl gut bekannte Publizist und Entertainer,
hat es auf sich genommen, alle Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages im Jahr 2013 zu
besuchen und die Parlamentarier bei ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit zu
beobachten. Mindestens 22 Sitzungswochen und wohl noch viele
Zusatzveranstaltungen musste er durchstehen, und er wird es sich vorher kaum erträumt
haben, was das für ein hartes Unterfangen wurde.
Paul Watzlawick, der Großvater der
Kommunikationswissenschaft, hat einmal formuliert, dass Sach- und Beziehungsebene
immer gleichzeitig angesprochen werden, wobei die Beziehung der Partner ausschlaggebend
ist. Willemsen bezeichnete wechselseitige Missbilligung und rhetorische Ehrabschneidung
als den Grundakkord des Parlamentarismus. Und so sind seine Beobachtungen eine
erstaunliche, gespenstig wirkende Sammlung von Beschimpfungen, Verbalinjurien,
bewussten Falschinterpretationen und anderen rhetorischen Widerwertigkeiten.
Hier kämpfen nicht die Guten gegen die Bösen, sondern die Mehrheitlichen gegen
die Minderheitlichen. Die Sprache des Parlaments bezeichnet er deshalb als den
verselbstständigten Widerspruch. Es geht nicht um die Sachfragen, sondern um
die Behauptung von Machtbeziehungen. Und er führt eine immense Zahl von Beispielen
an. Eigene Phrasendrescherei, leere Worthülsen und sophistische Polemik der einen wechseln sich ab mit flegelhaften Störungen durch beleidigende Zwischenrufe, permanenter Schwatzerei
sowie Abstrafung durch Aufmerksamkeitsentzug und Ignoranz der anderen. Allein die
Tatsache, dass Frau Merkel fast in den meisten Fällen den Saal verlässt, wenn
Gregor spricht, lässt selbst den neutralen Beobachter stutzig werden. Ist es schlechte
Kinderstube, Angst oder brutale Boshaftigkeit?
Pieter Brueghel: Großer Turmbau zu Babel (1563) |
Zum Schluss hin fiel es mir zunehmend schwer, das Buch mit
voller Aufmerksamkeit zu lesen. Zu viel Widerwillen und Ekel stauen sich an.
Und dabei bin ich einer von denen, die es ablehnen, „die Politiker“ schlechthin
und pauschal zu verurteilen. Es wundert mich jedoch längst nicht mehr, dass aus
dem wachsenden politischen Desinteresse vieler „Normalbürger“ eine Aversion
gegenüber dieser Berufsgruppe geworden ist.
Doch da ich chronischer Optimist
bin, glaube ich immer noch daran, dass es Medikamente gegen eine solche
Krankheit des Parlamentarismus gibt: Erstens: eine starke, kompetente und mutige
Opposition. Liebe Abgeordnete der Partei DIE LINKE! Stellt Euch weiter diesen Anforderungen.
Ich baue auf Euch! Zweitens: möglichst viele aufklärende und versachlichende Beiträge in den öffentlichen Medien. Danke, Herr Willemsen! Und natürlich drittens und hauptsächlich: das wachsende Bewusstsein der Wähler, den schlechten Parlamentariern zunehmend das Mundwerk zu schließen.
Übrigens: Die Anfrage, ob ich das Buch verborge, erübrigt
sich. Ich habe zu viele gemeine Randbemerkungen hineingeschrieben, als dass ich
sie veröffentlichen könnte.
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