Jugend macht Programm
im Haus für Viele(s)
von
Reinhard Heinrich
(Text und Fotos)
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Volles Haus für Viele(s) in Meissen |
Eine kleine Sensation erlebte Meissen am
Montag im Haus für Viele(s), wo im Beisein des stellvertretenden Botschafter
der Republik Israel engagierte junge Leute Forschungsergebnisse aus ihrer
Projektarbeit vorstellten. Die Präsentation war geradezu professionell
vorbereitet, gelegentliche kleine Unsicherheiten in der Darbietung waren
lediglich der unerwartet hohen Anzahl der Zuhörer zuzuschreiben. Denn bis zur
letzte Reihe voll besetzt war der Saal, selbst eingelagerte Gartensessel wurden
hinzu genommen. Interessierte aus Radebeul, Riesa, Grossenhain, Coswig - und
selbstverständlich Meissen - waren gekommen, um sich dem oft abseits
öffentlicher Aufmerksamkeit liegenden Thema anzunähern.
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Ursula Rien (r.) erinnert sich. |
Der Weg nach Meissen hat sich gelohnt. Die
jungen Leute haben deutlich mehr gemacht, als nur ihre Hausaufgaben. Neben der
Einordnung konkreter Spuren in übergreifende historische Prozesse wenden sie
sich immer wieder dem konkreten Einzelschicksal zu. Mit Strasse und Hausnummer,
Berufsstand und gesellschaftlicher Stellung werden unterschiedlichste Menschen
vorgestellt, die ganz normal zu der Stadt gehörten, die, wie alle deutschen Städte,
am Ende als "judenfrei" gemeldet wurde. Emigration, Deportation,
Vernichtung - das ganze Spektrum menschlicher Schicksale spiegelt sich in
diesen Beispielen. Und so ist es bestimmt kein Zufall, dass eine heute über
90jährige Emigrantin, die, als Nonne verkleidet, 1938 gerade noch einen
Kindertransport nach England begleiten konnte, ihr Elternhaus in Meissen noch
einmal sehen möchte. Dass heutige Jungendliche, gerade so alt, wie sie selbst
damals war, das Andenken ihrer ermordeten Eltern wach halten, gibt ihr den Mut,
noch einmal die Stadt zu besuchen. Ihre Kinder und Enkel in Israel blicken
unterdessen mit Spannung auf die - noch ungetroffene - Entscheidung der
Stadtväter und -mütter für einen "Stein des Anstosses" im Pflaster
vor dem Haus.
Das Publikum folgte aufmerksam und reagierte
auch vernehmbar, wenn persönliche Erinnerungen berührt wurden. Die Erwähnung
eines jüdischen Kaufhauses in Meissen löste die spontane Äusserung aus:
"... und schöne Sachen gab es da zu kaufen." Kindheitserinnerungen an
ein Meissen, in dem jüdische Kaufleute noch dazu gehörten - und ihre
Besonderheit die Gesellschaft reicher machte.
Des stellvertretenden Botschafters Verdienst
besteht wohl vor allem darin, den Jugendlichen wie den Veranstaltern durch sein
Kommen grosse Wertschätzung erwiesen zu haben. Er machte darauf aufmerksam:
Rechte Gewalt, NSU und NPD sind deutsche Probleme und keine israelischen. Und
er weiss sichtlich zu schätzen, und ausdrücklich auch für den Staat, den er
vertritt, dass junge Leute ihre Kraft in konkrete Geschichtsaufarbeitung
investieren.
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Pfarrer i. R. Jürgen Günter im Gespräch mit Andreas Graff |
Die Leistung der 'solid-Jugendlichen verdient
jede Anerkennung, ist jedoch schwer denkbar ohne den Beistand der Älteren.
Stadthistoriker Herr Steinecke und Pfarrer i.R. Jürgen Günter waren und sind
solche Tür- und Gedankenöffner, ohne die
es vielleicht an manchem Punkt der Forschung nicht weiter gegangen wäre.
Und dann gibt es im "Haus für
Viele(s)" noch jemanden, schon lange weiss: Die Herzen der Menschen
gewinnt man nicht mit Parteiveranstaltungen. Er hat ermutigt und behutsam
gefördert. Und die Hand darüber gehalten, dass die immer noch lebendige
"Banalität des Bösen", wie Hanna Ahrendt die deutsche Triebkraft der
Shoah bezeichnete, dem Projekt nicht nahe genug kam, um ihm zu schaden.
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