Orientierung

Donnerstag, 27. Februar 2020

Wer darf in Deutschland Lehrer sein?

Reicht der Beutelsbacher Konsens für eine Begründung aus?

Für oder gegen den Einsatz AfD-Mitgliedes als Gymnasiallehrer in Riesa. Die Diskussion läuft gegenwärtig noch etwas zaghaft. Nach der offenen Fragestellung durch Erik Richter, dem Kreisvorsitzenden der LINKEN.Meißen, gab es vereinzelte Leserbriefe und u.a. die Argumentation der SZ "Wir sind keine Spalter, wir informieren" (25.02.20). AfD-Gemeinderäte aus Weinböhla äußerten sich sogar "Dankbar für die offene Gesprächsatmosphäre" (Leserbrief, SZ vom 25.02.20, S. 15). Es ist natürlich ein heißes Thema. Aber gerade deshalb darf es weder bagatellisiert, noch unter den Tisch gekehrt werden. Gibt es eine Trennung von Privatperson und Parteiaktivist? Oder dürfen wir die Zusammenhänge nicht übersehen.

Gordon Engler, um den es hier konkret geht, sieht das natürlich alles unproblematisch. Er beruft sich auf den Beutelsbacher Konsens. Da ich selbst seit 1990 in verantwortlichen Funktionen der beruflichen Bildung arbeite und anerkannter Lehrer bzw. Dozent für politik- und sozialwissenschaftliche Fächer bin, weiß ich recht gut, dass das ein dünnes Eis ist. An ihren Früchten (d.h. Taten, nicht nur Worten) sollt ihr sie erkennen, heißt es schon in der Bibel (Matth 7,20). Und da habe ich mit dieser Partei AfD meine Bedenken. Und der Privatmann Engler scheint da kein unbeschriebenes Blatt zu sein.

Die freie Meinungsäußerung ist auch für uns als Linke ein teures Gut der Demokratie. Im Grundgesetz (5,3) steht: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung." Den zweiten Teil dieses Absatzes vergisst mancher nur allzu schnell. Aber genau hier sollten wir den Maßstab suchen.
Der Beutelsbacher Konsens wurde auf einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-.Württemberg 1976 formuliert. Er beinhaltet drei Grundsätze:
- Überwältigungsverbot (Indoktrinationsverbot): Lehrende dürfen ihren Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen, denn sie sollen zu mündigen Bürgern herangebildet werden.
- Kontroversität (Gegensätzlichkeit): Lehrer müssen den Schülern ihre Meinungsfreiheit gestatten.
- Orientierung: Für die Bewertung gesellschaftlicher Prozesse und Zusammenhänge soll eine angemessene Orientierung erfolgen. Verfassung, Lehrplan und persönliche Meinung der Lehrenden dürften nicht im prinzipiellen Widerspruch stehen.
Das eröffnet natürlich große Spielräume. Allerdings hatte ich selbst damit nie Probleme. Ich musste mich als bewusster und aktiver Demokrat nicht verstellen oder verbiegen. Und meine Schüler und Studenten haben auch meine persönlichen Positionen immer geachtet. Aber gerade deshalb frage ich, was über die Persönlichkeit von Gordon Engler bekannt ist.
- Welche Referenzen gibt es aus vorangegangener Lehrtätigkeit?
- Wie ist er bisher als Mitglied und Funktionär der AfD in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten? Er war immerhin in Dresden in hoher Funktion seiner Partei.
- Wie ist es zu werten, dass er Mitglied einer studentischen Burschenschaft war, aus der er ausgeschlossen wurde, und er sich dann einer anderen Verbindung anschloss? Unlängst geriet doch ein Landesbischof der Evangelischen Kirche in Konflikte, weil sein früheres Wirken in einer solchen Burschenschaft Anlass für Kritiken war. Kann das hier so ähnlich sein?
Wer ist eigentlich im Kultusministerium auf die tolle Idee gekommen, einen solchen Widerspruch aufzubauen? Oder gibt es da nur verantwortungsfreie Sachbearbeiter?

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