Nachdenken über diesen 9. November vor 25 Jahren
Die Wochen vorher waren voller Aufregungen. Die alte Garde hatte sich längst als extrem unfähig erwiesen. Auch in Dresden waren Zehntausende zum wiederholten Mal auf die Straßen gegangen. Eine revolutionäre Situation ist dann, wenn die oben nicht mehr können, und die unten nicht mehr wollen, hatte unser Geschichtslehrer gesagt, und sich damit als Zukunftslehrer erwiesen. Unten wollte keiner mehr so, selbst die meisten Linientreuen nicht. Alle hofften auf neue Lösungen. Aber es konnte auch keiner sagen, wo es hingehen würde. Von oben war längst nichts mehr zu erwarten. Die Schabowski-Episode verortete sich in dieser allgemeinen Verwirrnis gar nicht so klar für mich, und für viele andere sicher auch nicht. Und wer normal ins Bett gehen wollte an diesem Abend, schlief nicht ein oder wurde bald wieder geweckt. Knallerei und Feuerwerk auf den Straßen. Gegen Mitternacht saß ich mit meiner damals 14jährigen Tochter vor dem Fernseher. 3SAT brachte Bilder von einer Übergangsstelle an der Westgrenze. Dort herrschte noch Ruhe, aber es wurden Ströme von Autos aus der DDR prophezeit, während in Berlin längst die Schlagbäume geöffnet waren. Magentropfen halfen nicht, an Schlafen war nicht zu denken. Während des Frühstücks wurden im Radio Interviews mit Ostberlinern übertragen, die "nur mal kurz drüben waren". Da wurde mir eigenartig wohler.
G. Dietmar Rode
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