Orientierung

Freitag, 1. März 2013

Jobcenter aktuell

Eine kleine arbeitsmarktsoziologische  Rechnerei

von Kreisrat Dr. G. Dietmar Rode

Im Sozialausschuss des Kreistages werden u.a. kontinuierlich die Arbeitsmarktdaten aus dem Jobcenter Meißen ausgewertet.  Das war auch gestern der Fall. Nun ist bei solchen Veröffentlichungen auch der Nicht-Soziologe oft skeptisch, spätestens seit Winston Churchills angeblicher Anmerkung, er glaube keiner Statistik, die er nicht selbst gefälscht habe.
Die Daten, die in Meißen zusammengetragen werden, sind natürlich und hoffentlich nicht gefälscht. Aber sie lassen sich auch nicht von jedermann/jederfrau und auf den ersten Blick entschlüsseln. Sie wollen auch diskutiert sein. Nehmen wir ein Beispiel:

Im Dezember 2011 lag die Arbeitslosenquote im Landkreis bei 9,4%, während sie im Dezember 2012 um 0,4% auf 9,0% gesunken war.  Ist das viel oder wenig, gut oder schlecht, können wir zufrieden sein oder müssen wir eher meckern? Im Bundesdurchschnitt ergeben sich gerade ´mal 7,4% (Quelle: MDR Info, 01.03.2013). Für die Länder der Euro-Zone wird übrigens heute der Rekordwert von 11,9% gemeldet.

Schauen wir uns dazu einmal die Entwicklung der Kundenstruktur im Jobcenter Meißen  an, und fragen wir uns, ob der Kunde da wohl König ist oder nicht. Der tagträumende Theoretiker könnte meinen, eine Arbeitsagentur ist dann wirklich gut, wenn sie gute Arbeit vermittelt. Da wird also einer arbeitslos, geht dort hin und bekommt baldmöglichst eine neue Arbeit. Das sollte das Kerngeschäft dieser Einrichtung sein. Medienmeldungen über einen anwachsenden Fachkräftebedarf und die sinkende Arbeitslosenzahlen in Deutschland und Sachsen lassen den Unbedarften an eine schnelle Lösung des Problems glauben. Aber weit gefehlt. Schauen wir uns die eingefügte Grafik ein wenig genauer an, einfach nur die Trends, ohne auf zu viele Zahlen einzugehen. Da bekommen wir einen gehörigen Schluckauf.

Zur Erklärung: Kunden sind Leute, die zur Agentur kommen, weil sie aus unterschiedlichen Gründen keine Arbeit haben.

A-Kunden werden direkt in den Arbeitsmarkt integriert. Das sollte auch das Ziel sein, die Norm sozusagen. Aber: nur bei 0,3% gelang das im Januar 2013 (2011 und 2012 - 0,4%) !
B-Kunden werden mit finanzieller und qualifizierender Förderung integriert – o.k., aber auch nur 2,8%.
C-Kunden haben eine mittelfristige Chance zur Orientierung und Qualifizierung für den sogenannten 1. Arbeitsmarkt. Das mag gerade noch so angehen für 23,0%.
D-Kunden können nur langfristig mit einer Arbeitsmarktintegration, d.h. im einfachen Deutsch mit einer angemessenen Arbeit, rechnen. Das sieht schon nicht mehr gut aus. 44,0%!!!
E-Kunden sind längerfristig eher unwahrscheinlich zu vermitteln. Zappenduster für 26,3! Hartz IV auf Dauer?
I-Kunden sind erst seit Mitte des Vorjahres im 1. Arbeitsmarkt, weshalb ihre Arbeitsmarktchance noch nicht so richtig einzuschätzen ist - 1,8%.
X- und Y- Kunden können vorübergehend oder längerfristig nicht vermittelt werden und sind auf materielle Grundsicherung angewiesen. Hartz IV. Punkt und aus. Gesunken von 12,7 auf 2,2%.
Z-Kunden sind durch Bedarfslage und Profil derzeit ungeklärt, was immer das auch bedeuten mag.

Wenn wir uns aus dieser Sicht die Zahlen aus drei Jahren ansehen, fangen wir wohl an zu zweifeln. Das soll keinesfalls die wichtige und gute Arbeit der Angestellten im Jobcenter in Frage stellen, die leisten, was sie leisten können. Aber das System scheint nicht zu stimmen, wenn das Kerngeschäft (A,-, B- und C-Kunden) mit 25,9% völlig unterrepräsentiert erscheint. Und ein Aufwärtstrend ist nicht sichtbar, nicht einmal als Silberstreif am Horizont. Da ist doch irgend etwas verkehrt...

Gerade heute (10:07 Uhr) sendete MDR-Info einen zum Thema passenden Beitrag. Hartz IV kostete bisher 356 Milliarden Euro. Bundesagentur-Vizechef Altmann forderte eine Reform der Hartz-IV-Regelungen. Und der ist nicht von der LINKEN, die seit Jahren sogar eine Abschaffung fordert.

In diesem Zusammenhang eine weitere aktuelle Information. Der Bundesrat hat heute einem Mindestlohn von 8,50€ zugestimmt. Nun muss sich nur noch der Bundestag diese ebenfalls einer mehrere Jahre alte Forderung der LINKEN (aktuell:10 €) befürworten.

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