Orientierung

Dienstag, 12. März 2013

Heute ist Welttag gegen Internet-Zensur

Und wir sollten das Thema nicht allein anderen Parteien überlassen.

Ein gewisser "Rheinländer", der sich 1842
gegen Zensur echauffierte.
(rh) Ein gewisser "Rheinländer" hat unlängst (1842) über das Thema Presse-Zensur publiziert - und er sollte danach noch sehr viel mehr publizieren, was des Lesens und Verstehens wert ist. Manches davon wurde in der DDR in Massenauflage gedruckt und "studiert", Anderes weniger - bis fast gar nicht. Die "Bemerkungen ... Von einem Rheinländer" erschienen zwar im Dietz Verlag, Berlin 1976 (MEW Bd.1), wurden aber so gut wie gar nicht "studiert", am wenigsten von Journalistik-Studenten.
Sicherlich, weil sie zu der "Hauptaufgabe des VIII. Parteitages" primär nicht viel beizutragen hatten. Und je weiter die DDR "heranreifte" - in Richtung 1989 - , um so weniger passte der Text zur allgegenwärtigen aber monotonen Melodie der laufenden Agitation und Propaganda.

Natürlich - wer in Glasnost "Verrat" sieht, muss auch das Kommunistische Manifest [Link!] zensieren wo es (3. Zeile von unten) heisst: "
Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen." 

Es reicht ja, wenn andere ("ausgewählte Feinde") unser eigene Botschaft via Zensur ins Nichts werfen. Dazu hat "uns" selbst anscheinend bis 1989 die Zeit nicht gereicht. Oder der Mut. Aber eher wohl die Zeit. Bis die Bibel einigermassen "gereinigt" war, haben "Christen", die "etwas geworden" (Bischöfe) waren, mindestens 200 Jahre benötigt. 
"Kommunisten", die "etwas geworden" waren, regierende Generalsekretäre etwa, hatten diese 200 Jahre nicht - obwohl das Lehrprogramm unseren Parteischulen schon eine "Kanonisierung" darstellte. Ein Grund kann aber auch sein, dass "der Rheinländer" als solcher bisweilen einen ironischen Ton anschlägt. Das richtig einzuordnen, erfordert Humor. Und Humor ist eine Form des (manchmal verzweifelten!) Mutes, wie Galgenhumor auch nur den Todesmutigen gelingt. Und die Hauptaufgabe des VIII. Parteitages war eine verdammt ernste Sache. Dazu gehörte unbedingte (Ehr-)Furcht vor der übergeordneten Leitungsebene. Da wird doch nicht gelacht!
Wir Heutigen jedoch haben (schon immer!) allen Grund, mit dem unerschrocken humorvollen "Rheinländer" gegen jegliche Zensur zu sein. Sowohl in den eigenen Reihen, wie gegenüber anderen. Damit uns nicht eines Tages wieder Zensur treffe. Den "Rheinländer" konnte leider schon bald nach seinen letzten Veröffentlichungen die eigene Partei nicht mehr leiden. Lasalle sprach einfach populistischer und damit für die Masse aufrüttelnder - ungefähr sowie, wie die Melodien von Richard Wagner die Gemüter  oft leidenschaftlich erfassen. Das kommt an - bei autoritär gestimmten und/oder dressierten Menschen. Es geht aber auch anders:
„Gazetten dürfen, so sie delectieren sollen, nicht genieret werden.“
schrieb ein König Friedrich von Preussen an seinen zeitweiligen philosophischen Hofnarren und Freund Voltaire am 13.August 1756. Der wiederum meinte:
"Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen." 
Die "Gazetten" von heute werden sehr viel im Internet gelesen. Darum ist dieser Welttag gegen Internet-Zensur sehr berechtigt. Und ich würde mir wünschen, dass DIE LINKE - und die Linken weltweit ihn - nicht etwa feierlich - sondern kämpferisch begehen würden. Auch im Kampf gegen den inneren Schweinehund (manchmal).

Und nun zum "Rheinländer":

Bemerkungen über die neueste preußische Zensurinstruktion

Von einen Rheinländer

Geschrieben zwischen dem 15. Januar und 10. Februar 1842.
Aus: »Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie und Publicistik«, Bd. I, 1843.

|3| Wir gehören nicht zu den Malkontenten, die schon vor der Erscheinung des neuen preußischen Zensurediktes ausrufen : Timeo Danaos et dona ferentes. |Ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen (Vergil, »Äneis«, II, 49)| Vielmehr da in der neuen Instruktion die Prüfung schon erlassener Gesetze, sollte sie auch nicht im Sinne der Regierung ausfallen, gebilligt wird, so machen wir sogleich einen Anfang mit ihr selbst. Die Zensur ist die offizielle Kritik; ihre Normen sind kritische Normen, die also am wenigsten der Kritik, mit der sie sich in ein Feld stellen, entzogen werden dürfen.
Die im Eingang der Instruktion ausgesprochene allgemeine Tendenz wird gewiß jeder nur billigen können:
»Um schon jetzt |sämtlicher Hervorhebungen in den Zitaten sind von Marx| die Presse von unstatthaften, nicht in der Allerhöchsten Absicht liegenden Beschränkungen zu befreien, haben Seine Majestät der König durch eine an das Königliche Staatsministerium am 10. dieses Monats erlassene Allerhöchste Ordre jeden ungebührlichen Zwang der schriftstellerischen Tätigkeit ausdrücklich zu mißbilligen und, unter Anerkennung des Werts und des Bedürfnisses einer freimütigen und anständigen Publizität, uns zu ermächtigen geruht, die Zensoren zur angemessenen Beachtung des Artikel II des Zensuredikts vom 18. Oktober 1819 von neuem anzuweisen.«
Gewiß! Ist die Zensur einmal eine Notwendigkeit, so ist die freimütige, die liberale Zensur noch notwendiger.
Was sogleich ein gewisses Befremden erregen dürfte, ist das Datum des angeführten Gesetzes; es ist datiert vom 18. Oktober 1819. Wie? Ist es etwa ein Gesetz, welches die Zeitumstände zu derogieren zwangen? Es scheint nicht; denn die Zensoren werden nur »von neuem« zur Beachtung desselben angewiesen. Also bis 1842 war das Gesetz vorhanden, aber es ist nicht befolgt worden, denn »um schon jetzt die Presse von unstatthaften, nicht in der allerhöchsten Absicht liegenden Beschränkungen zu befreien, wird es ins Gedächtnis gerufen.
|4| Die Presse - eine unmittelbare Konsequenz dieses Eingangs - unterlag bis jetzt trotz dem Gesetze unstatthaften Beschränkungen.
Spricht dies nun gegen das Gesetz oder gegen die Zensoren?
Das letztere dürfen wir kaum behaupten. Zweiundzwanzig Jahre durch geschahen illegale Handlungen von einer Behörde, welche das höchste Interesse der Staatsbürger, ihren Geist, unter Tutel hat, von einer Behörde, die, noch mehr als die römischen Zensoren, nicht nur das Betragen einzelner Bürger, sondern sogar das Betragen des öffentlichen Geistes reguliert. Sollte in dem wohleingerichteten, auf seine Administration stolzen preußischen Staate solch gewissenloses Benehmen der höchsten Staatsdiener, eine so konsequente Illoyalität möglich sein? Oder hat der Staat in fortwährender Verblendung die untüchtigsten Individuen zu den schwierigsten Stellen gewählt? Oder hat endlich der Untertan des preußischen Staates keine Möglichkeit, gegen ungesetzmäßiges Verfahren zu reklamieren? Sind alle preußischen Schriftsteller so ungebildet und unklug, mit den Gesetzen, die ihre Existenz betreffen, nicht bekannt zu sein, oder sind sie zu feig, die Anwendung derselben zu verlangen?
Werfen wir die Schuld auf die Zensoren, so ist nicht nur ihre eigne Ehre, sondern die Ehre des preußischen Staats, der preußischen Schriftsteller kompromittiert. ...
Hier den Volltext weiterlesen [Link!]

1 Kommentar:

  1. Der Rheinländer gehört auch heute noch zu den meist geprügelten Hunden. Dabei war nicht er daran schuld, was einerseits die "Marxisten" (die falschen Pharisäer, wie solche Leute in der Bibel heißen) und anderseits ihre Feinde aus den unterschiedlichsten Lagern aus einem geistigen Nachlass gemacht haben. Übrigens war er selbst es der sagte, dass er kein "Marxist" sei. Nachhören ist so etwas auf einer sehr amüsanten CD:
    Marx & Engels intim. Harry Rowohlt und Gregor Gysi aus dem unzensierten Briefwechsel. 1 CD (Live-Mitschnitt)

    Ein Elbländer

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