Orientierung

Sonntag, 26. August 2012

„Rassisten gehen über Leichen – Was macht Deutschland? Es pflanzt Eichen!“


20 Jahre nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen
kommentiert von Hans

Rostock im August 1992, ein aufgebrachter deutscher Volksmob geht mit ausländerfeindlichen Parolen, Steinen und Molotowcocktails tagelang gegen die Unterkünfte von Asylbewerber_innen und vietnamesische Vertragsarbeiter_innen vor. Wohnhäuser werden unter dem Jubel tausender Menschen in Brand gesteckt, der Tod von Frauen, Männern und Kindern wird dabei billigend in Kauf genommen.

Rostock – Lichtenhagen reiht sich ein in eine ganze Serie von rassistischen Übergriffen Anfang der 1990er Jahre in ganz Deutschland, die teilweise auch Todesopfer forderten.
Rostock – Lichtenhagen jedoch ist zum Symbol für das Versagen von  Politik und Polizei geworden, gleichzeitig stellen die Ereignisse um das Sonnenblumenhaus auch einen Dammbruch in der deutschen Asylpolitik dar. Die Politik beugte sich dem rassistischem Mob, so erklärte Bundesinnenminister Seiters noch während in Rostock der Mob tobte:“ Wir müssen handeln gegen den Missbrauch des Asylrechts, der dazu geführt hat, dass wir einen unkontrollierten Zustrom in unser Land bekommen haben.“. 1993 wurde das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft.


Auch zum 20. Jahrestag der Pogrome von Rostock – Lichtenhagen lösen die Bilder und Berichte die an diese Ereignisse erinnern, Gefühle von Wut und einer gewissen Ohnmacht hervor, es stellen sich aber auch Fragen. Wie konnte so etwas nur passieren? Was hat sich heute geändert? Es gibt verschiedene Initiativen die dieser Tage an die Ereignisse erinnern, mit unterschiedlicher Intension und aus verschiedenen Spektren.

Ich selbst war 1992 noch ein kleines Kind und habe erst 13 Jahre später erfahren was in Rostock – Lichtenhagen vorgefallen ist. Beziehungsweise was mit dem Begriff „Rostock – Lichtenhagen“ verbunden ist. Dennoch hat dieses Ereignis stark zu meiner Politisierung beigetragen, viel zu dramatisch waren die Ereignisse, deren Bilder und Berichte mir heute noch einen Schauer über den Rücken laufen lassen. Glaubte ich doch, Pogrome und die pure Verachtung von Menschenleben wie man sie aus dem Nationalsozialismus kennt, seien in einer demokratischen Gesellschaft nicht möglich. Zumindest nicht in diesem Ausmaß.

Sowohl das linke Bündnis „Rassismus tötet“ als auch der VVN-BdA und andere linke und migrantische Gruppen riefen am 25.08. zu einer antirassistischen Demonstration nach Rostock – Lichtenhagen auf. Die Demonstration wollte an die rassistischen Pogrome von 1992 erinnern und auf eine den rassistischen Alltag(Abschiebung, Frontex) aufmerksam machen. Auch wir als Linke aus dem Landkreis Meißen unterstützen diese Anliegen und so machten wir uns morgens mit dem Auto auf nach Rostock. Knapp 5000 Menschen aus ganz Deutschland, vornehmlich aus linken Zusammenhängen zogen vom Bahnhof Lütten – Klein zum Sonnenblumenhaus nach Rostock Lichtenhagen. Die Demonstration schlängelte sich lautstark durch die Plattenbauten im Nordwesten von Rostock. Die Bewohner beließen es zumeist bei argwöhnischen Blicken aus dem Fenster. Neben der Forderung nach Solidarität mit Flüchtlingen und den Opfern rassistischer Gewalt wurde auch der Umgang der Stadt Rostock mit den Ereignissen kritisiert.

Am Sonntag fand am Sonnenblumenhaus die offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt Rostock statt. Dort sprach unter anderem der Bundespräsident, der anschließend auch noch eine Friedenseiche pflanzen sollte. Das ganze Schauspiel mutet absurd an, wenn auf dieser Veranstaltung  gesprochen wird, „Demokratie muss wehrhaft sein…“. Wehrhaft ist die Demokratie in Deutschland, wenn man bedenkt, dass hunderte Menschen im Gefängnis sitzen, deren einziges Vergehen es ist, im falschen Land geboren zu sein und die nun auf ihre Abschiebung warten. Nicht ganz so wehrhaft, ist die Demokratie leider im Umgang mit Rechtsterroristen, wie das Beispiel der NSU zeigte.
Eine Friedenseiche ist wohl auch ein eher ungünstiges Symbol für die Erinnerung an die rassistischen Pogrome von 1992. Eine Gedenktafel die an die Ereignisse erinnert und beim Namen nennt, wäre wohl wesentlich sinnvoller als eine symbolische Eiche gewesen.

Die Wichtigkeit der Erinnerung liegt für uns auch aktuell darin begründet, dass es auch im Landkreis Meißen heftige Diskussionen um die Unterbringung von Asylsuchenden gibt, dabei ist die Diskussion sehr wohl nicht nur sachlich sondern teils auch mehr oder weniger offensichtlich rassistisch Aufgeladen.

Abschließend bleibt nur noch Primo Levi zu zitieren:
 „Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen.“ 

Mehr Infos zu Rostock Lichtenhagen:

Hans

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