20 Jahre nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen
kommentiert von Hans
Rostock im August 1992, ein aufgebrachter deutscher Volksmob
geht mit ausländerfeindlichen Parolen, Steinen und Molotowcocktails tagelang gegen
die Unterkünfte von Asylbewerber_innen und vietnamesische
Vertragsarbeiter_innen vor. Wohnhäuser werden unter dem Jubel tausender
Menschen in Brand gesteckt, der Tod von Frauen, Männern und Kindern wird dabei
billigend in Kauf genommen.
Rostock – Lichtenhagen reiht sich ein in eine ganze Serie
von rassistischen Übergriffen Anfang der 1990er Jahre in ganz Deutschland, die
teilweise auch Todesopfer forderten.
Rostock – Lichtenhagen jedoch ist zum Symbol für das
Versagen von Politik und Polizei
geworden, gleichzeitig stellen die Ereignisse um das Sonnenblumenhaus auch
einen Dammbruch in der deutschen Asylpolitik dar. Die Politik beugte sich dem rassistischem
Mob, so erklärte Bundesinnenminister Seiters noch während in Rostock der Mob
tobte:“ Wir müssen handeln gegen den Missbrauch des Asylrechts, der dazu
geführt hat, dass wir einen unkontrollierten Zustrom in unser Land bekommen
haben.“. 1993 wurde das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft.
Auch zum 20. Jahrestag der Pogrome von Rostock –
Lichtenhagen lösen die Bilder und Berichte die an diese Ereignisse erinnern,
Gefühle von Wut und einer gewissen Ohnmacht hervor, es stellen sich aber auch
Fragen. Wie konnte so etwas nur passieren? Was hat sich heute geändert? Es gibt
verschiedene Initiativen die dieser Tage an die Ereignisse erinnern, mit unterschiedlicher
Intension und aus verschiedenen Spektren.
Ich selbst war 1992 noch ein kleines Kind und habe erst 13
Jahre später erfahren was in Rostock – Lichtenhagen vorgefallen ist.
Beziehungsweise was mit dem Begriff „Rostock – Lichtenhagen“ verbunden ist.
Dennoch hat dieses Ereignis stark zu meiner Politisierung beigetragen, viel zu
dramatisch waren die Ereignisse, deren Bilder und Berichte mir heute noch einen
Schauer über den Rücken laufen lassen. Glaubte ich doch, Pogrome und die pure
Verachtung von Menschenleben wie man sie aus dem Nationalsozialismus kennt,
seien in einer demokratischen Gesellschaft nicht möglich. Zumindest nicht in
diesem Ausmaß.
Sowohl das linke Bündnis „Rassismus tötet“ als auch der
VVN-BdA und andere linke und migrantische Gruppen riefen am 25.08. zu einer
antirassistischen Demonstration nach Rostock – Lichtenhagen auf. Die
Demonstration wollte an die rassistischen Pogrome von 1992 erinnern und auf
eine den rassistischen Alltag(Abschiebung, Frontex) aufmerksam machen. Auch wir
als Linke aus dem Landkreis Meißen unterstützen diese Anliegen und so machten
wir uns morgens mit dem Auto auf nach Rostock. Knapp 5000 Menschen aus ganz
Deutschland, vornehmlich aus linken Zusammenhängen zogen vom Bahnhof Lütten –
Klein zum Sonnenblumenhaus nach Rostock Lichtenhagen. Die Demonstration
schlängelte sich lautstark durch die Plattenbauten im Nordwesten von Rostock.
Die Bewohner beließen es zumeist bei argwöhnischen Blicken aus dem Fenster.
Neben der Forderung nach Solidarität mit Flüchtlingen und den Opfern
rassistischer Gewalt wurde auch der Umgang der Stadt Rostock mit den
Ereignissen kritisiert.
Am Sonntag fand am Sonnenblumenhaus die offizielle
Gedenkveranstaltung der Stadt Rostock statt. Dort sprach unter anderem der
Bundespräsident, der anschließend auch noch eine Friedenseiche pflanzen sollte.
Das ganze Schauspiel mutet absurd an, wenn auf dieser Veranstaltung gesprochen wird, „Demokratie muss wehrhaft
sein…“. Wehrhaft ist die Demokratie in Deutschland, wenn man bedenkt, dass hunderte
Menschen im Gefängnis sitzen, deren einziges Vergehen es ist, im falschen Land
geboren zu sein und die nun auf ihre Abschiebung warten. Nicht ganz so
wehrhaft, ist die Demokratie leider im Umgang mit Rechtsterroristen, wie das
Beispiel der NSU zeigte.
Eine Friedenseiche ist wohl auch ein eher ungünstiges Symbol
für die Erinnerung an die rassistischen Pogrome von 1992. Eine Gedenktafel die
an die Ereignisse erinnert und beim Namen nennt, wäre wohl wesentlich
sinnvoller als eine symbolische Eiche gewesen.
Die Wichtigkeit der Erinnerung liegt für uns auch aktuell
darin begründet, dass es auch im Landkreis Meißen heftige Diskussionen um die
Unterbringung von Asylsuchenden gibt, dabei ist die Diskussion sehr wohl nicht
nur sachlich sondern teils auch mehr oder weniger offensichtlich rassistisch
Aufgeladen.
Abschließend bleibt nur noch Primo Levi zu zitieren:
Mehr Infos zu Rostock Lichtenhagen:
Hans
* Pogrom
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