Da wächst nichts zusammen
Von Stephan Hebel (16.05.12)
Und hier die Meinung der Wähler Grafik: Forschungsgruppe Wahlen |
Wer wissen will, wie gespalten Deutschland noch ist, sollte sich die Linke genauer ansehen. Die gesamtdeutscheste aller Parteien – so versteht sie sich selbst – führt uns den Kampf der Kulturen auf offener Bühne vor. Einen Kampf, der sonst meistens nur noch an Stammtischen und in schlechten Witzen tobt.
Selbst wenn sich die Linke beim Parteitag Anfang Juni ohne offenen Bruch eine neue Führung bastelt – der Versuch, aus dem Erbe der SED und dem radikaleren Flügel der westdeutschen Sozialdemokratie etwas Gemeinsames zu entwickeln, steht vor dem Scheitern. Um das zu verhindern, kam das Treffen der verfeindeten Lager am Dienstag viel zu spät. Nicht nur, aber auch daran trägt Oskar Lafontaine die Schuld: Er war es, der aus Feigheit oder Bequemlichkeit eine Entscheidung vor den Landtagswahlen im Saarland oder zumindest in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verhinderte.
Unfähige Parteispitze
Natürlich ist Oskar Lafontaine nicht allein schuld. Er war schließlich krank, als er sich nach Saarbrücken verabschiedete. Die Parteispitze mit Gesine Lötzsch und Klaus Ernst war vollkommen unfähig, die Spaltung der Partei auch nur zu mildern, im Gegenteil: Die beiden waren nur insofern die passenden Vorsitzenden, als sie diese Spaltung fast jeden Tag neu personifizierten und demonstrierten. Und Gregor Gysi, der diese Führung damals fast im Alleingang installiert hat, sah dem Trauerspiel viel zu lange tatenlos zu. Aber wichtiger als die Verteilung der Schuld auf Flügel und/oder Personen sind die Ursachen für das drohende Ende des Experiments „gesamtdeutsche Linkspartei“. Wer nach ihnen sucht, stößt auf den tiefen Graben zwischen ost- und westdeutschen Linken.Die Unterschiede sind nicht nur, vielleicht nicht einmal vorrangig kultureller Art. Manche Genossinnen und Genossen haben die Wende von 1989 nicht oder nicht mit politischem Bewusstsein erlebt. Die Ost-West-Spaltung verläuft vielmehr entlang unüberbrückbarer Gegensätze im Verständnis von linker Politik. Diese verschwinden zu lassen hinter dem Charisma des Volksredners Lafontaine (West) und seinem nicht weniger charismatischen Tandempartner Gregor Gysi (Ost) – dieser Gründungstrick der Linkspartei wird nicht noch einmal gelingen.
Dass er beim ersten Mal gelang, hatte einige Gründe, auf die heute kaum noch zu bauen ist. Da war das Wählerpotenzial der von der Agenda-SPD Enttäuschten, also die große Lücke, die die Sozialdemokratie auf der linken Seite ließ. Da war die Faszination der im Grunde ja richtigen Idee, ein ganz spezielles Einheitsprojekt der Linken zu versuchen. Da war die Bereitschaft vieler Parteigänger, an eigenen Vorstellungen zugunsten der Gemeinsamkeit Abstriche zu machen.
Da war aber nicht zuletzt die Wählermacht derjenigen im Osten, denen die West-Parteien fremd, die Umgangsformen der alten PDS-Funktionäre aber sehr vertraut waren. Ohne sie, also ohne den kulturellen Überhang aus der Geschichte der Teilung, wäre es dem Traum einer Partei links von der SPD schon längst genauso schlecht ergangen wie all seinen Vorgängern der vergangenen Jahrzehnte.
SPD besetzt linken Flügel neu
Nun hat auch die Hoffnung getrogen, aus dem Gegensatz der Kulturen könnte mehr als 20 Jahre nach der Wende eine gesamtdeutsche Programmpartei entstehen. Die Führungsleute im Osten – auch die jungen – sind geprägt von der Erfahrung, eine programmatisch linke, aber auch von nostalgischen Verlustgefühlen getragene, also konservative Volkspartei zu sein. Das ergibt einen oft bis zum Übermaß pragmatischen, an Regierungsoptionen orientierten Politikstil. Also das Gegenteil dessen, was die westliche Kombination aus nachhaltig enttäuschten Sozialdemokraten und Restbeständen des linksradikalen Spektrums antreibt.Da wächst nichts zusammen, und die externen Faktoren tun ein Übriges: Die SPD besetzt seit ihrer verheerenden Niederlage von 2009 den linken Flügel neu, wenn auch zunächst mehr mit Schlagworten (Mindestlohn, Reichensteuern) als mit einem klaren Kurs. Das Leitthema der Linken, die Verteilungsgerechtigkeit, ist in der Krise so mehrheitsfähig geworden, dass eine eigene Partei dafür vielen überflüssig erscheint. Und Wähler, die es den Etablierten zeigen wollen, ohne sich allzu sehr für die politische Richtung zu interessieren, finden neue Wege, etwa zu den Piraten.
Es wäre spannend zu sehen, welche Chancen in Deutschland eine Linkspartei hätte, die sich von leerem revolutionärem Pathos ebenso zu lösen vermöchte wie von der einseitigen Fixierung auf Machtkonstellationen. Die Linkspartei, die wir haben, wirkt nicht, als könnte sie dieses Experiment bewältigen. Die Führungsfrage ist nicht etwa Ursache, sondern Ausdruck ihres Scheiterns.
Artikel URL: http://www.fr-online.de/meinung/leitartikel-zum-linke-fuehrungsstreit-da-waechst-nichts-zusammen,1472602,15418396.html
Mir würde schon genügen, wenn hier im Kreis Meißen überhaupt noch was wächst - von links. Wenn die Wessis ihre Wähler nicht überzeugen - da müssen sie es eben lernen. Aber wo (und wodurch) überzeugt DIE LINKE eigentlich noch hier - im Kreis?
AntwortenLöschenDas ist hart formuliert, lieber Kurt Oe. Aber Kritik sollte auch konkret sein, wenn sie helfen soll. Ich selbst bin auch sehr häufig nicht zufrieden und nicht selten enttäuscht, wenn ich das Wirken der LINKEN im Landkreis betrachte. Als Kreisrat für diese Partei versuche ich aber, mich einzubringen und Veränderungen zu initiieren. Ich bin auch nicht der Überzeugung, dass von links nichts wächst. Das wäre ungerecht und bringt nichts. Ich kenne viele, die sich ernsthaft und ehrlich auf unterschiedlichen Gebieten einbringen.
LöschenAllerdings sagt mir der Name Kurt Oe. nichts. Sind wir uns schon begegnet? Sollten wir nicht einmal einen Kaffee miteinander trinken? Vielleicht finden wir dann im Gespräch auch positive Ansätze.
G. Dietmar Rode
Welches Ziel verfolgt dieser Leitartikel von Stephan Hebel " FR " ? Ist er ein Sympathisant von " DIE LINKE " ?
AntwortenLöschenAm selben Tag im " ND " siehe :
http://www.neues-deutschland.de/artikel/227051.hinterzimmer-schaden-unserer-glaubwuerdigkeit.html .
Aussagen einer Genossin , Mitglied im Präsidium des Bundesausschusses der Linkspartei , zu den Personaldebatten um die neue Parteispitze .
Für mich sind das ebenso erwähnenswerte Mitteilungen .
Zur ersten Frage: Selber lesen macht schlau.
LöschenZweitens: Erwähnenswert ist nicht genug.
ND schreibt auch: Die LINKE hat ein Problem mit ihrem Lebenswandel als Partei. http://www.neues-deutschland.de/artikel/227080.verlorene-werte.html
Widerlegung wäre sehr schön, scheint aber kaum möglich.
Auch wenn es schmerzt, die Debatte zum Erscheinungsbild der Partei ist eine notwendige Folge des Verhaltens von einigen verantwortlichen Genossen vom Bund bis in verschiedene Landesverbände hinein. In die Verantwortung wird die Partei als Ganzes genommen. „Wir“ haben sie in diese Verantwortung gewählt. Und nun bauen sich berechtigt die Fragen auf: Weshab haben sie als die Repräsentanten unserer Partei nicht im Sinne unserer Werte gehandelt? Sind sie sich Ihrer Verantwortung gegenüber der Mitgliederschaft, die für sie den Wahlkampf führten, bewußt? Was muten sie uns, die die Bürgerinnen und Bürger mit überzeugten, uns zu wählen zu? Was leben sie dem großen Teil des Volkes vor, welches sich nach humanen, menschlichen und solidarischen Umgang und des Miteinanders sehnt? Es schmerzt, wenn wir in einen Topf mit denen geworfen werden, denen das Geld das Maß aller Dinge ist. Glaubwürdigkeit baut sich mit den konkreten Inhalten unseres Parteiprogammes , verbunden mit dem eigenen solidarischen Verhalten und vor allem des sichtbaren Tuns für Menschen unseres Landes auf. Das ist die Basis und die Meßlatte des Vertrauens, für das Ja oder das Nein uns zu wählen. Lebenswandel und Lebensstil für einem jeden hängt eng mit der Fähigkeit und dem Willen des Lernens aus dem Vergangenen, für das Heute und das Morgen zusammen. Und das trifft besonders für unsere Verantwortungsträger auf jeder Ebene zu, denn was gestern noch gut war, braucht es heute nicht mehr zu sein. Gewiss ein hoher Anspruch, den man nicht allein sondern nur in unserer Partei der Gleichgesinnten entsprechen kann.
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