Orientierung

Mittwoch, 16. November 2011

Jetzt den Klinik-Mitarbeitern eine Stimme geben und morgen im Kreistag Nein sagen

Heinz Hoffmann mit Gesine Lötzsch auf dem
6. Landesparteitag in Bautzen/ Foto: Rode
Zum neoliberalen Konzept der Gesundheitspolitik im Kreis Meißen

äußert sich Heinz Hoffmann,
Kreisrat für die LINKE

Am kommenden Donnerstag stehen die Mitglieder des Kreistages Meißen vor der Entscheidung, wie sie im Kreistag zu dem Antrag, für das Krankenhaus in Riesa Investitionen in Höhe von 68 Mio. € und für die Elblandkliniken (ELK) eine Bürgschaft von 38 Mio. € zu beschließen, abstimmen. In dieser Entscheidung sind auch Mittel namentlich für den Krankenhausstandort Radebeul und weiteren Investitionen der ELK-Gruppe für die nächsten Jahre in der Gesamthöhe von 100 Mio. € enthalten.

Das zentrale Problem besteht darin, dass diese 100 Mio. € Gesamtinvestitionen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur mit 43,5 Mio. € Investitionszuschüssen des Freistaates Sachsen finanziert werden. Für die Krankenhausfinanzierung sehen die geltenden Regelungen ( duale Finanzierung )in der BRD vor, dass die Investitionen der Krankenhäuser, die im Krankenhausbedarfsplan stehen, und das sind im Landkreis insbesondere die Häuser der ELK-Gruppe in Riesa, Radebeul und Meißen, vom Freistaat Sachsen zu tragen sind, und die Betriebsmittelfinanzierung hat durch die Kostenträger, d.h. in Sachsen zu weit über 90 % durch die gesetzlichen Krankenkassen, zu erfolgen.

Für die Investitionsfinanzierung ist das entscheidende Problem, dass der Freistaat Sachsen derzeit in der BRD im Ländervergleich mit Abstand die geringsten Mittel je Krankenhausbett im Landeshaushalt zur Verfügung stellt.
Nach Angaben von Herrn Ohi, Prokurist der ELK-Gruppe am 7.11.2011 bei der öffentlichen Fraktionssitzung der LINKEn in Riesa sind im Jahr 2011 dies 4000.-€ im Jahr pro Bett. Im Nachbarland Thüringen werden z.B. im laufenden Jahr ca. 60 bis 70 % mehr Investitionsmittel pro Bett bereitgestellt. Im Freistaat Sachsen beträgt der Investitionsbedarf im Jahr ca. 230 bis 250 Mio. €. Tatsächlich stellt das Land zur Zeit nur ca. 80 Mio. € und damit gut 150 Mio. € zu wenig zur Verfügung. Gleichzeitig haben die Krankenhäuser im vergangenen Jahr in Sachsen 70 bis 90 Mio. € Gewinne ausgewiesen. Diese Summe reicht also auch nicht, um das reale Investitionsdefizit auszugleichen.

Tatsache ist, dass die Krankenhäuser ihr Budget aus den Investitionszuweisungen, den pauschalen und den projektbezogenen Zuweisungen für Investitionen, sowie den Zahlungen der Kostenträger decken müssen. Mehreinnahmen bei den Kostenträgern können nur noch bei Nachweis von Mehraufwand erzielt werden. Richtig ist, die Leistungsentgelte der Kostenträger lassen bei gewöhnlicher Betriebsführung wenig Spielraum für Überschüsse. In den Vergütungssätzen der Kostenträger sind die wesentlichen Kostenarten mit Durchschnittswerten aus der Praxis jedoch auskömmlich berücksichtigt. Dazu zählen neben den Personalkosten auf Basis des TVöD z.B. auch die Energiekosten. Die geltenden Regeln sehen aber auch vor, dass die Krankenhausträger Verluste aus dem laufenden Betrieb decken müssen, aber eben auch, dass erzielte Überschüsse in den Krankenhausgesellschaften, bzw. bei den Trägern verbleiben. Deshalb stehen bei allen Krankenhäusern immer mehr die Möglichkeiten der Kostensenkung im Zentrum der Unternehmensstrategie. Effizienzsteigerungen und Qualitätsverbesserungen sind dabei in der Regel positiv zu beurteilen, zumindest dann, wenn sie nicht wie im Krankenhaus Riesa zu einer teilweisen nicht mehr zu verantwortenden Personalausdünnung führen, wie dies z.B. für den Nachtdienst auf den chirurgischen Stationen aktuell der Fall ist. Immer mehr wird allerdings das Unterschreiten des Tarifniveaus des TVöD zum strategischen Hebel, um die Kosten zu decken und Gewinne zu erzielen. Der geplante Abbau von ca. 100 Arbeitsplätzen in der ELK-Gruppe, einschließlich betriebsbedingter Kündigungen und das Ausgliedern von betriebsnotwendigen Funktionen in Unternehmen mit Niedriglohnbedingungen folgen dieser Logik der Gewinnmaximierung im noch immer öffentlichen Krankenhaussektor im Landkreis Meißen.

Während die Kostenträger (i.W. GKV) eine ausreichende Betriebsmittelfinanzierung garantieren, haben sie jedoch keine Möglichkeit, eine systemwidrige Fehlverwendung der von ihnen bereitgestellten Mittel zu sanktionieren.

Die gegenwärtige Praxis in Sachsen, die im Landkreis Meißen nur besonders extensiv und absolut skrupellos angewendet wird, bedeutet, dass die Krankenhausfinanzierung auf der Einnahmeseite immer mehr von den Kostenträgern, d.h. von den Krankenkassen übernommen wird. Damit findet ein schleichender Wechsel von der dualen Finanzierung der Krankenhäuser, die finanziell die staatliche Mitbeteiligung aus Steuermitteln bei der Gewährleistung der Daseinsvorsorge abdecken soll, zu einer monistischen Finanzierung statt. Noch geht das sozial-ökonomisch ausschließlich zu Lasten der Beschäftigten in den Krankenhäusern, die nicht mehr die Entgelte und Arbeitsbedingungen nach TVöD erhalten und für die die Arbeit extrem verdichtet wird. Das gesundheitspolitisch entscheidende Problem ist darüber hinaus , dass dann, wenn das Druckpotenzial auf die Beschäftigten ausgeschöpft ist, der Druck auf die Krankenkassen erhöht wird, die Finanzierungslücke durch die Erhöhung der Leistungsentgelte zu schließen. Genau an diesem Punkt kommt es gesellschaftlich zur Zuspitzung des gesundheitspolitischen Konfliktes.

Nachdem schwarz-gelb (CDU/FDP) auf Bundesebene die Deckelung des paritätisch finanzierten Beitragssatzes beschlossen hat, müssen die gesetzlichen Krankenkassen alle Ausgabensteigerungen, die nicht aus den Zuführungen aus dem Gesundheitsfonds gedeckt werden, durch die Erhebung von Zusatzbeiträgen finanzieren. Ab diesem Zeitpunkt müssen dann die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und die Rentnerinnen und Rentner durch Zusatzbeiträge die Flucht des Freistaates Sachsen aus der Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser tragen. Genau an diesem Punkt realisiert sich dann allerdings, steter Tropfen höhlt ja den Sterin, das neoliberale Konzept der Gesundheitspolitik von schwarz-gelb im Landkreis Meißen und im Freistaat Sachsen durch den schrittweisen Umbaus der Krankenhausfinanzierung. Das hat mit Gerechtigkeit und Solidarität, den wichtigsten Grundwerten einer zukunftsfähigen Gesellschaft, überhaupt nichts zu tun. Es ist das genaue Gegenteil. Eine Zustimmung für die Beschlussvorlage im Kreistag bedeutet deshalb nur, dass sich die Herren Steinbach und Funk ein Prestigeobjekt bestätigen lassen, das im ersten Schritt von den Beschäftigten durch Lohndrückerei und im Weitern durch Zusatzbeiträge der Versichertengemeinschaft ausfinanziert werden soll. Deshalb muss gelten: zu dieser neoliberalen Perversion kann niemand, der sich dem Gemeinwohl verpflichtet sieht, ja sagen!

Aber auch unterhalb dieser generellen gesundheitspolitischen Einschätzung steht das Konzept von Arndt Steinbach und Herrn Funk auf tönernen Füßen.
Nicht nur bei Kreisräten gibt es die Meinung , durch die in den letzten Jahren ausgewiesenen Gewinne und bei einer Weiterführung der aktuellen Unternehmenspolitik sei die Finanzierungsgrundlage der beabsichtigten Investitionen in der ELK-Gruppe gegeben. Doch diese Einschätzung ist wohl eher brüchig.

Tatsache ist, dass die ELK-Gruppe gegenüber ihren Beschäftigten zum heutigen Zeitpunkt aus nicht bezahlten, aber vertraglich geschuldeten Entgeltansprüchen eine potenzielle Verbindlichkeit in einem hohen Millionenbetrag hat. Nach dem Auslaufen des Notlagentarifvertrages für die Beschäftigten in den ELK Meißen und Radebeul, einschließlich der zu den Tochtergesellschaften übergeleiteten Mitarbeiter, bestehen dort individualrechtliche Ansprüche, die in einzelnen Forderungsklagen bereits gerichtlich bestätigt wurden. Auch in Riesa sind Forderungsklagen zu erwarten. Aus den zum 17.10.2011 den Kreistagsmitgliedern übergebenen Jahresabschluss- und Bilanzunterlagen ist nicht ersichtlich, ob für das daraus resultierende Risiko gesonderte Rückstellungen gebildet wurden. Es ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist.

Wenn diese Annahme richtig ist, dann ist spätestens der Beschluss zur Bürgschaftsübernahme für die ELK-Gruppe in Höhe von 38 Mio. € durch den Landkreis absolut riskant für die Haushalte der kommenden Jahre. Wenn die ELK-Gruppe erhebliche Entgeltnachzahlungen leisten muss und in Folge eines erfolgreichen Tarifabschlusses, aus Sicht der Beschäftigten, künftig deutlich geringere Überschüsse erzielen kann, dann wird der Landkreis für einen erheblichen Teil der Bürgschaft haften müssen. 60 bis 80 % der 37. Mio. €. in den nächsten 10 Jahren sind dann durchaus realistisch. Und inzwischen spricht viel dafür, dass die Beschäftigten für einen guten Tarifabschluss die aktive Solidarität ihrer Kolleginnen und Kollegen aus anderen Branchen im Landkreis, wie z.B. der Stahl-, Metall- und Elektroindustrie erhalten werden, was ihre Durchsetzungskraft steigern wird.

Nur wer den Durchsetzungswillen der Beschäftigten gering schätzt, wird diese Risiken vernachlässigen. So sehr alle für Riesa ein neues Krankenhaus befürworten, unter diesen Bedingungen kann man den Beschlussvorlagen für die Kreistagssitzung am Donnerstag nicht verantwortungsbewusst zustimmen.

Heinz Hoffmann

2 Kommentare:

  1. DIE LINKE hat dann aber JA gesagt - statt NEIN. Und nun hätschelt sie die Streikenden.

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  2. In der Fraktion DIE LINKE gab es Ja- und Nein-Stimmen. Und damit haben wir es uns nicht leicht gemacht. Das dürfte für Aufmerksame auch in den mündlichen und schriftlichen Statements der vergangenen Monate sichtbar geworden sein. Und weder ein Ja noch ein Nein zeigt eindeutig an, ob man mit der Situation und dem aktuellen Stand zufrieden ist oder nicht. Die Solidaritätsbekundung gegenüber den Streikenden als "hätscheln" zu bezeichnen empfinde ich als zynisch, ganz abgesehen davon, dass sich Dr. Sova (oder vielleicht "Dr. Post") auf keinerlei Inhalte bezieht. Aber darauf wird es ihm vielleicht gar nicht ankommen... Ignorantia non est argumentum.

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