Orientierung

Montag, 16. Februar 2009

Wir hätten viel mehr sein müssen...


„ Wieso haben die hier den Gysi sprechen lassen“, regt sich ein junger Mann mit Juso - Fahne auf.

“ Du hast nichts kapiert, wir müssen uns über Parteiengrenzen hinaus einig sein“ erwidert das Mädchen an seiner Seite. Diesen Disput habe ich am Rande der „ Geh-denken“ Kundgebung auf dem Dresdner Theaterplatz zufällig mitgehört und er ist wohl kennzeichnend für diesen 14. Februar. Vor allem junge Leute sind gekommen. Mit phantasievollen Losungen und Temperament. Dazwischen viele Ältere. Man kann es erahnen, das sie das Inferno vor 64 Jahren mit oder besser überlebt haben.

Sie sind nicht so laut wie die Jugend. Dafür tragen sie weiße Rosen am Revers. Als erster spricht Müntefering. Frei und engagiert. Im letzten Satz dankt er auch der Linken für ihr Dasein auf dem Theaterplatz. Die Redner danach werden das Verbot der NPD fordern. Münte lässt das weg.

Gysi ist als nächster dran. Mit der schwarzen Mütze tief im Gesicht ist er kaum zu erkennen. Er liest vom Zettel ab, was schon recht ungewöhnlich ist. Aber er stellt den historischen Zusammenhang her.

„ Der Aggressor war Deutschland“ ruft er in die Menge und bekommt sehr viel Beifall dafür. Jetzt kommt Wolfgang Stumpf mit seiner Tochter. Er kann nicht nachvollziehen, dass die CDU nicht mit auf dem Platz ist. Die gehören mit hier her. Wir müssen uns einig sein gegen die Nazis, sagt der Schauspieler. Er legt seine Popularität in die Waagschale um die Massen gegen die braune Gefahr zu mobilisieren. Hut ab ! Auch Claudia Roth von den Grünen und Sommer vom DGB sind nicht zu überhören. Wie ein roter Faden durchzieht die Forderung nach Einigkeit gegen die Nazis die eindringlichen Worte. Die NPD muss verboten werden, die NPD darf nie wieder in den sächsischen Landtag, wo sind die bürgerlichen Parteien. Langsam zieht die Winterkälte auf dem Theaterplatz in die Glieder. Der kulturelle Auftakt der Veranstaltung mit einem jugendlichen Blasorchester wärmt ungemein. Die Aufforderung zum Tanz ist überflüssig. Das ist der Semperopernball der Antifaschisten! Langsam gehen wir zurück. Die massiven Polizeiketten haben sich aufgelöst. Mensch, sage ich mir, Roth, Müntefering und Gysi gegen rechts zusammen auf einer Bühne, das macht Mut.

Abends höre ich dann in den Nachrichten die Zahlen. 12000 auf unserer Seite, 6000 Braune am Hauptbahnhof und bin etwas enttäuscht. Am Eingang der Semperoper hing ein Tuch mit den Worten von Erich Kästner: „ Jeder ist mit verantwortlich für das, was geschieht und für das, was unterbleibt.“

Von Großenhain waren wir ganze vier. Genügend Autos hatten wir auf den Parkplatz bereitgestellt. Man hätte nur einzusteigen brauchen, denn wir hätten viel mehr sein müssen................

Harald Kühne ( Text und Collage)

3 Kommentare:

  1. eine klare niederlage für die demokratie an diesem tag! die stadt dresden hat eindrucksvoll gezeigt wie man sich als stadt der bewegung, den nazis anbiedert! was will man aber auch erwarten, von einer cdu geführten stadt, die auf biegen und brechen versucht antifaschistischen protest zu verhindern, gleichsam aber den nazis den roten teppich ausrollt!
    man könnte meinen es gehört zum politischen kalkül, dass die stadt dresden nicht gewillt ist, die nazidemos zu unterbinden, gibt es doch in trauriger regelmäßigkeit publicity für die stadt und sowieso kann im rahmen dessen, besonders gut gegen linke "extremisten" gehetzt werden.

    mit tiefem hass und verbitterung denke ich an diesen 14. februar zurück, ein zeichen für demokratie sollte gesetzt werden, stattdessen wurden demokratische grundrechte mit füßen getreten, menschenrechte wurden in dresden zeitweise außer kraft gesetzt!

    noch immer sehe ich die bilder wie schwergepanzerte polizisten auf wehrlose demonstranten einprügeln und diese durch die straßen jagen!
    die bilder erinnerten an längst vergangene zeiten, sowas gab es doch schon einmal, erst wurde geprügelt, dann verhaftet, dann gefoltert, letztendlich gemordet!
    dieser geist ist auch heute noch bei den meisten staatsschlägern anzutreffen!

    natürlich beschreibe ich hier die vorkomnisse der antifademo, 100 verletzte zeichen ein deutliches bild! ganz anders bei den nazis, streckenweise ohen polizeibegleitung, geht von diesen doch keine gefahr aus, wie man nicht bloß erst im nachhinein sehen konnte; eine fehleinschätzung!
    aber die polizei hatte auch garkeine zeit sich um die nazis zu kümmern, war sie doch viel zu sehr damit beschäftigt den antifaschisten zu zeigen, aus welcher richtung der wind weht, ein martialisches polizeiaufgebot, wasserwerfer, räumpanzer begleiteten die "no pasaran" demo!
    wurden diese doch schon im vorfeld als gewaltbereite chaoten diffamiert!

    was nach der demo folgte war eine perfide menschenjagd der polizei!
    in sa manier ging man gegen jegliche links aussehende personen vor. aus der altstadt wurde man vertrieben, an der teilnahme der gehdenken kundgebung mit äußerster brutalität gehindert! brücken wurden gesperrt mit der begründung es würde ein gefahrenpotenzial von den linken in der neustadt ausgehen. von welcher seite ein massives gefahrenpotenzial ausging, kann man ja in diesen tagen sämtlichen medien entnehmen.

    die medien sind ein weiterer fall für sich, schreiben doch provinzblätter in heuchlerischer form, von einem erfolg der dresdner, von "gewalttätigen" linken und einer erfolgreichen polizeitaktik! eine naivität legen blätter wie die sz an den tag, verklären sie doch die wirklichkeit!

    nein, demokratie war es nicht, der tag erinnerte eher an eine totalitäre diktatur.

    was bleibt ist der hass und die verbitterung über die zustände die es erlauben dass auch heute noch zig tausende nazis durch die straßen marschieren und demokratische grundrechte, gerade zum 60sten jahrestag des grundgesetzes noch immer nicht für alle gelten!
    doch auch die erkenntniss, dass den faschisten ob in grün, braun oder schwarz immer und überall mit jeglicher entschlossenheit entgegen getreten werden muss!

    in diesem sinne
    ob in riesa, gröditz, meißen oder großenhain, die nazis egal in welcher form, werden nicht durchkommen

    NO PASARAN!

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  2. wären auch gern zu der kundgebung gegangen, nur hinderte uns die polizei an der teilnahme, an einer angemeldeten kundgebung!

    jedoch kann man diesen zustand auch als demokratische legitimation für ein militantes vorgehen gegen ungerechtigkeit auslegen, ist man doch anscheinend nicht mehr an geltendes recht gebunden!)

    bleibt zu hoffen, dass diese rechtsbeugung ein juristisches und parlamentarisches nachspiel hat!

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  3. Täglich rechte Gewalt in Sachsen. Opferberatungsstellen für Betroffene rechtsextremer Gewalt legen Jahresstatistik 2008 vor.

    Die Beratungsstellen für Betroffene rechtsextremer Gewalt des RAA Sachsen e.V. und die Opferberatung des RAA Leipzig e.V. erhielten im Jahr 2008 Kenntnis von 401 rechtsextremen Übergriffen im Freistaat Sachsen. Die Zahl der bekannt gewordenen Angriffe stieg somit um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr (308 rechte Übergriffe) an, wobei nach wie vor von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss.

    Die Beratungsstellen für Betroffene rechtsextremer Gewalt registrieren ausschließlich Angriffe die sich direkt gegen Personen richten und keine Propaganda- oder Beleidigungsdelikte. Bei einem Großteil der Übergriffe handelte es sich um Gewaltdelikte gegen Menschen, so wurden im Jahr 2008 mindestens 295 Personen zum Teil schwer verletzt.

    http://www.raa-sachsen.de

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Kommentare sind das Salz in unserer Suppe.