Schabowski´s historischer Stichwortzettel |
Am 09. November 1989 brachte das Mitglied des Politbüros der SED mit einem (bedachten oder unbedachten?) Satz das ganze Sicherheitssystem der DDR zum Einstürzen. Die Meldung in der Aktuellen Kamera des DDR-Fernsehens dürfte wohl am Anfang an vielen Zuschauern schlicht vorbeigegangen sein. Doch noch in der Nacht des gleichen Tages öffneten sich die Tore der Grenzschutzanlagen in Berlin und danach an der gesamten "Westgrenze". Und die "Deutsche Einheit" nahm ihren Lauf.
Das ZK-Mitglied präsentierte damals die neuen Reisebestimmungen für DDR-Bürger: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen, Reiseanlässe und Verwandtschaftverhältnisse beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Ständige Ausreisen können über alle Grenzstationen der DDR in die BRD erfolgen."
Und nach Anfrage eines Journalisten stotterte er etwas hilflos:"Das ist nach meiner Kenntnis ... sofort, ... unverzüglich."
So hatte sich die SED-Führung das sicher nicht vorgestellt. Diese Reisen sollten wohl nur unter bestimmten Auflagen und auch erst vom nächsten Tag an beantragt werden können. War das Schabowski entgangen? Oder war es klares Kalkül? Immerhin initiierte er noch in dieser Nacht damit den Mauerfall. Aber wäre er ausgeblieben ohne dieses rhetorische Knallbonbon.
Schabowski gab sich zweifellos größte Mühe, im Gegensatz zu vielen seiner hohen Genossen, in den anschließenden Ereignissen aufrecht und akzeptabel zu erscheinen. Aber das kauften im wohl die wenigsten ab. Schon bei der historischen Demonstration vom 04. November 1989 auf dem Alexanderplatz wurde er ausgebuht und ausgepfiffen. Bundespräsident Gauck, der zugab, immer geteilte Gefühle ihm gegenüber gehabt zu haben, würdigte heute seinen Mut und seine Aufrichtigkeit: “Er war wohl das einzige Mitglied des SED-Führungszirkels, das zu radikaler Umkehr und auch zur Anerkennung eigener Schuld bereit und fähig war. So konnte er zu einem Ermutiger für diejenigen werden, denen es schwer fiel, politische Irrtümer zu revidieren, sich geistig zu befreien und die Demokratie zu bejahen.”
Damals erwies sich, dass die stabilsten Mauern nicht halten können, wenn ein Volk erst einmal in Bewegung gerät. Heute sind die Rufer für "Wir sind das Volk" offenbar andere. Ansonsten wäre ihnen diese Lehre aus der Geschichte deutlich. Wir können und dürfen nicht wieder Mauern zwischen den Völkern aufbauen, und erst recht nicht in dieser komplizierten Zeit, da Kriege und Elend Millionen Menschen vor sich hertreiben.
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