Orientierung

Freitag, 31. August 2012

Alles Gute zum Schulanfang!

Anmerkungen und Fragen in schwieriger Situation
von Dr. G. Dietmar Rode, 
Kreisrat, Mitglied im Bildungs- und Sozialausschuss 
und in der Arbeitsgruppe Schulstrukturentwicklung

Eigener Schulanfang, Oschatz 1957/
Foto: Günter Rode
„Bildung lässt sich nicht downloaden.“ Das hat Günter Jauch einmal angemerkt. Sie ist, um es mit Begriffen unseres digitalen Zeitalters zu sagen, die Anwendersoftware für jede Persönlichkeit, um sich im Netzwerk der Gesellschaft bewegen zu können. Aber sagen wir es einfacher: Die wichtigste Voraussetzung für die freie Entwicklung der Menschen ist ihre Bildung, vorausgesetzt natürlich, dass er auch ihre physischen Bedürfnisse ausreichend befriedigt werden. Damit wird deutlich, dass das für uns als LINKE mehr als nur eine Lehrer-Lämpel-Diskussion ist.

Schulpolitik ist in Deutschland Ländersache. Und Sachsen hat im bundesweiten Bildungsvergleich dieses Jahres den ersten Platz belegt. Bei der Pisa-Studie vor einigen Jahren belegte Deutschland allerdings nur einen bedauerlichen 25. Platz. Auch die vielen Hiobsbotschaften über Stundenausfälle, Lehrermangel und Geldknappheiten für die erforderlichen Investitionen der Schulen machen mir die Beurteilung schwer, wie ich diese Goldmedaille einordnen soll.
Weitere Widersprüche: Unternehmer klagen über die immer weiter abnehmenden Voraussetzungen der Schulabsolventen für die Berufsausbildung. Die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss ist weiter gewachsen. Zehntausende Schüler, Eltern und Lehrer sind in diesem Jahr protestierend auf die Straßen gegangen. Ein Kultusminister hat den Hut genommen, weil es für ihn nicht mehrvorwärts ging. Viel zu viele Pädagogik-Absolventen sind in andere Bundesländer abgewandert, weil es da bessere Arbeitsbedingungen und Gehälter gibt. Aber die neue Kultusministerin ist des Lobes voll über das sächsische Schulsystem. Da fällt mir Winston Churchill ein, der nur der Statistik glauben wollte, die er selbst gefälscht habe.
In den letzten Monaten des vergangenen Schuljahres hat sich die LINKE im Landkreis Meißen auch zunehmend mit Schulstrukturentwicklung und Bildungspolitik beschäftigt. 2010 war die berufliche Bildung Schwerpunkt. Da waren wir noch recht optimistisch, trotz der immer weniger gewordenen Bewerberzahlen für die Beruflichen Schulen. 2012 kamen mit der Schulstrukturplanung die Gymnasien, Grund- und Mittel- sowie Förderschulen stärker in die Problemdiskussion. Ziel ist es hier,  die Schulstruktur, die sich im Landkreis in den letzten Jahren mit Mühen und Schmerzen herausgebildet hat, für die nächsten 10-20 Jahre zu erhalten.

Aber bereits da beginnen die Schwierigkeiten, die man auch den ganz normalen Irrsinn des föderalen Bildungssystems nennen könnte. Die verschiedenen Ebenen und Strukturen machen es nicht nur unsereinem als Kommunalpolitiker schwer, die Ein- und Übersicht zu behalten. Schulträger sind die Kommunen. Das Oberschulamt kümmert sich um die Unterrichts- und Lehrerqualität ab. Die Schulverwaltung des Landkreises sichert die strukturellen Beziehungen zwischen den Schulen ab. Und das Kultusministerium stellt die Finanzen zur Verfügung. Was das bedeutet, habe ich kürzlich wieder gesehen, als ich mich sachkundig machen wollte, ob denn das neue Schuljahr im Landkreis ordentlich personell abgesichert sein wird. Da kam mir die Glosse Karl Valentins vom Buchbinder Wanninger ins Gedächtnis, der sich per Telefon in den Beziehungsdschungel einer Firma begibt.


Die sächsische Bildungspolitik war immer schon umstritten. Die einst widersinnig erklärte Trennung von Bildung und Erziehung, der radikale Kahlschlag in den Schullandschaften und die Vernachlässigung des Lehrernachwuchses wirken heute noch nachhaltig. Trotz aller Fortschritte bei der Betreuung und Förderung, der Personalqualifikation und dem Kampf gegen Bildungsarmut (SZ vom 16. August 2012: Kita, Schule, Ingenieure) sind nach wie vor für Schüler, Eltern, Lehrer sowie Schuldirektoren noch viel zu viele Schwierigkeiten sichtbar.
Kürzlich sagte dazu Anja Stephan, die Leiterin der Dresdner Bildungsagentur, es würde besser laufen als zum Start des vergangenen Schuljahres. Aber: „Es ist ein Kampf mit dem Budget, gegen die Zeit und für die Schüler: Die Suche nach neuen Lehrern. Die Bildungsagentur führt den Kampf mit allen Mitteln. [?] Das Ziel: In sechs Wochen für jede Klasse und jedes Fach einen Lehrer zu haben.“ (SZ, Denni Kleinert, 20.08.2012)
Die Botschaft hör´ ich wohl, allein mit fehlt der Glaube (Schiller). Doch genug der schlauen Zitate. Ich konnte bis zum heutigen Tage keine Auskunft erhalten, wie es in den Schulen unseres Landkreises zum Schuljahresbeginn tatsächlich aussehen wird.
Ich kann mich derzeit nur auf Presseveröffentlichungen stützen:
Für die Gymnasien sieht es wohl günstig aus. 193 Bewerber gab es für 28,5 Stellen, die alle besetzt wurden. Ein wichtiges Auswahlkriterium war hier die Bewerberqualität, die etwa ein Drittel gar nicht erfüllte.

Auch für die Mittelschulen soll es nicht schlecht bestellt sein. Für 49 Stellen konnte aus 63 Bewerbern ausgewählt werden. Allerdings sind Förder- und Integrationsstunden personell nicht eingeplant.
Und wie sieht es an den Grundschulen aus? Frau Stephan: „Vor einem Jahr starteten fünf erste Klassen ohne Klassenlehrer, monatelang fiel flächendeckend der Schwimmunterricht aus. Förder- und Integrationsstunden wurden gestrichen… „. Das soll sich nicht wiederholen. Momentan laufen wohl noch Einstellungsverfahren im Grund- und Förderschulbereich. Hier fehlen einfach die Bewerber. Für die Grundschulen in Dresden und Umgebung können 95 Lehrer eingestellt werden. Für die restlichen 78 offenen Stellen gab es zum Zeitpunkt des Interviews 67 konkrete Zusagen.

Aber der Schwimmunterricht soll jetzt schon mal gesichert sein. Na dann: Badehose festgehalten und mit Kopfsprung hinein! DIE LINKE des Landkreises Meißen wird das aufmerksam verfolgen. Wir wünschen uns alles Gute zum neuen Schuljahr.

Dr. G. Dietmar Rode
Radebeul, 27.08.12
Erscheint als Artikel in der nächsten Ausgabe DIE LINKE im Elbland

1 Kommentar:

  1. In der heutigen SZ stehen Nachrichten, die auch nicht geignet sind, Bedenken zu zerstreuen:

    >Zitterstart ins neue Schuljahr. Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth verspricht eine "ausreichende Unterrichtsversorgung" (S. 1)<

    Für die erste Woche im neuen Schuljahr (7. September)rufen die Lehrer-Gewerkschaft und der Beamtenbund ihre Mitglieder zu einem Warnstreik auf. Das deutet auf wirklich schlimme Zustände hin.

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