von Dr. G. Dietmar Rode,
Kreisrat, Mitglied im Bildungs- und Sozialausschuss
und in der Arbeitsgruppe Schulstrukturentwicklung
Eigener Schulanfang, Oschatz 1957/ Foto: Günter Rode |
„Bildung lässt sich
nicht downloaden.“ Das hat Günter Jauch einmal angemerkt. Sie ist, um es mit
Begriffen unseres digitalen Zeitalters zu sagen, die Anwendersoftware für jede
Persönlichkeit, um sich im Netzwerk der Gesellschaft bewegen zu können. Aber
sagen wir es einfacher: Die wichtigste Voraussetzung für die freie Entwicklung
der Menschen ist ihre Bildung, vorausgesetzt natürlich, dass er auch ihre
physischen Bedürfnisse ausreichend befriedigt werden. Damit wird deutlich, dass
das für uns als LINKE mehr als nur eine Lehrer-Lämpel-Diskussion ist.
Schulpolitik ist in
Deutschland Ländersache. Und Sachsen hat im bundesweiten Bildungsvergleich
dieses Jahres den ersten Platz belegt. Bei der Pisa-Studie vor einigen Jahren
belegte Deutschland allerdings nur einen bedauerlichen 25. Platz. Auch die vielen
Hiobsbotschaften über Stundenausfälle, Lehrermangel und Geldknappheiten für die
erforderlichen Investitionen der Schulen machen mir die Beurteilung schwer, wie
ich diese Goldmedaille einordnen soll.
Weitere Widersprüche: Unternehmer
klagen über die immer weiter abnehmenden Voraussetzungen der Schulabsolventen
für die Berufsausbildung. Die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss ist
weiter gewachsen. Zehntausende Schüler, Eltern und Lehrer sind in diesem Jahr protestierend
auf die Straßen gegangen. Ein Kultusminister hat den Hut genommen, weil es für
ihn nicht mehrvorwärts ging. Viel zu viele Pädagogik-Absolventen sind in andere
Bundesländer abgewandert, weil es da bessere Arbeitsbedingungen und Gehälter gibt.
Aber die neue Kultusministerin ist des Lobes voll über das sächsische
Schulsystem. Da fällt mir Winston Churchill ein, der nur der Statistik glauben
wollte, die er selbst gefälscht habe.
In den letzten Monaten
des vergangenen Schuljahres hat sich die LINKE im Landkreis Meißen auch
zunehmend mit Schulstrukturentwicklung und Bildungspolitik beschäftigt. 2010
war die berufliche Bildung Schwerpunkt. Da waren wir noch recht optimistisch, trotz
der immer weniger gewordenen Bewerberzahlen für die Beruflichen Schulen. 2012
kamen mit der Schulstrukturplanung die Gymnasien, Grund- und Mittel- sowie
Förderschulen stärker in die Problemdiskussion. Ziel ist es hier, die Schulstruktur, die sich im Landkreis in
den letzten Jahren mit Mühen und Schmerzen herausgebildet hat, für die nächsten
10-20 Jahre zu erhalten.
Aber bereits da
beginnen die Schwierigkeiten, die man auch den ganz normalen Irrsinn des föderalen
Bildungssystems nennen könnte. Die verschiedenen Ebenen und Strukturen machen
es nicht nur unsereinem als Kommunalpolitiker schwer, die Ein- und Übersicht zu
behalten. Schulträger sind die Kommunen. Das Oberschulamt kümmert sich um die Unterrichts-
und Lehrerqualität ab. Die Schulverwaltung des Landkreises sichert die
strukturellen Beziehungen zwischen den Schulen ab. Und das Kultusministerium
stellt die Finanzen zur Verfügung. Was das bedeutet, habe ich kürzlich wieder
gesehen, als ich mich sachkundig machen wollte, ob denn das neue Schuljahr im
Landkreis ordentlich personell abgesichert sein wird. Da kam mir die Glosse
Karl Valentins vom Buchbinder Wanninger ins Gedächtnis, der sich per Telefon in
den Beziehungsdschungel einer Firma begibt.
Die sächsische Bildungspolitik
war immer schon umstritten. Die einst widersinnig erklärte Trennung von Bildung
und Erziehung, der radikale Kahlschlag in den Schullandschaften und die
Vernachlässigung des Lehrernachwuchses wirken heute noch nachhaltig. Trotz aller
Fortschritte bei der Betreuung und Förderung, der Personalqualifikation und dem
Kampf gegen Bildungsarmut (SZ vom 16. August 2012: Kita, Schule, Ingenieure)
sind nach wie vor für Schüler, Eltern, Lehrer sowie Schuldirektoren noch viel
zu viele Schwierigkeiten sichtbar.
Kürzlich sagte dazu
Anja Stephan, die Leiterin der Dresdner Bildungsagentur, es würde besser laufen
als zum Start des vergangenen Schuljahres. Aber: „Es ist ein Kampf mit dem
Budget, gegen die Zeit und für die Schüler: Die Suche nach neuen Lehrern. Die
Bildungsagentur führt den Kampf mit allen Mitteln. [?] Das Ziel: In sechs
Wochen für jede Klasse und jedes Fach einen Lehrer zu haben.“ (SZ, Denni
Kleinert, 20.08.2012)
Die Botschaft hör´ ich
wohl, allein mit fehlt der Glaube (Schiller). Doch genug der schlauen Zitate.
Ich konnte bis zum heutigen Tage keine Auskunft erhalten, wie es in den Schulen
unseres Landkreises zum Schuljahresbeginn tatsächlich aussehen wird.
Ich kann mich derzeit
nur auf Presseveröffentlichungen stützen:
Für die Gymnasien
sieht es wohl günstig aus. 193 Bewerber gab es für 28,5 Stellen, die alle
besetzt wurden. Ein wichtiges Auswahlkriterium war hier die Bewerberqualität,
die etwa ein Drittel gar nicht erfüllte.
Auch für die Mittelschulen soll es nicht schlecht bestellt sein. Für 49 Stellen konnte aus 63 Bewerbern ausgewählt werden. Allerdings sind Förder- und Integrationsstunden personell nicht eingeplant.
Auch für die Mittelschulen soll es nicht schlecht bestellt sein. Für 49 Stellen konnte aus 63 Bewerbern ausgewählt werden. Allerdings sind Förder- und Integrationsstunden personell nicht eingeplant.
Und wie sieht es an
den Grundschulen aus? Frau Stephan: „Vor einem Jahr starteten fünf erste
Klassen ohne Klassenlehrer, monatelang fiel flächendeckend der
Schwimmunterricht aus. Förder- und Integrationsstunden wurden gestrichen… „.
Das soll sich nicht wiederholen. Momentan laufen wohl noch
Einstellungsverfahren im Grund- und Förderschulbereich. Hier fehlen einfach die
Bewerber. Für die Grundschulen in Dresden und Umgebung können 95 Lehrer eingestellt
werden. Für die restlichen 78 offenen Stellen gab es zum Zeitpunkt des
Interviews 67 konkrete Zusagen.
Aber der Schwimmunterricht soll jetzt schon mal gesichert sein. Na dann: Badehose festgehalten und mit Kopfsprung hinein! DIE LINKE des Landkreises Meißen wird das aufmerksam verfolgen. Wir wünschen uns alles Gute zum neuen Schuljahr.
Dr. G. Dietmar Rode
Radebeul, 27.08.12
Erscheint als Artikel in der nächsten Ausgabe DIE LINKE im Elbland
In der heutigen SZ stehen Nachrichten, die auch nicht geignet sind, Bedenken zu zerstreuen:
AntwortenLöschen>Zitterstart ins neue Schuljahr. Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth verspricht eine "ausreichende Unterrichtsversorgung" (S. 1)<
Für die erste Woche im neuen Schuljahr (7. September)rufen die Lehrer-Gewerkschaft und der Beamtenbund ihre Mitglieder zu einem Warnstreik auf. Das deutet auf wirklich schlimme Zustände hin.