Orientierung

Montag, 1. Dezember 2008

Zum ersten Entwurf des Europawahlprogramms der Partei DIE LINKE.

Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftspolitik hat sich auf ihrer Tagung am 29.11. mit dem ersten Entwurf des Europawahlprogramms befasst.

1 Kommentar:

  1. Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftspolitik 30.11.2008
    Kontakt: Judith.Dellheim@web.de


    Bereich Strategie und Politik
    strategie.politik@die-linke.de


    Zum ersten Entwurf des Europawahlprogramms der Partei DIE LINKE.

    Liebe Genossinnen und Genossen,
    die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftspolitik hat sich auf ihrer Tagung am 29.11. mit dem ersten Entwurf des Europawahlprogramms befasst. Die nachfolgenden Anmerkungen betreffen 1) Das grundsätzliche Herangehen an die Formulierung eines Wahlprogramm-Entwurfes und 2) den Teil II. des Entwurfes „Frieden, Demokratie, Solidarität - Für ein besseres Europa“. Zur Unterstützung der Arbeit an einer Entwurf-Neufassung legen wir auch unser Diskussionsangebot zur Finanzkrise bei (Anlage).

    1) Zum grundsätzlichen Herangehen
    Nicht zuletzt wegen der Überschrift des Wahlprogramm-Entwurfs von Bündnis90/DIE GRÜNEN „Grüne Wege für ein besseres Europa“ sollte die Überschrift des Entwurfs geändert werden. Wir schlagen vor: „Demokratisch und solidarisch Europa von LINKS verändern“.
    Wir sehen drei Grundprobleme im Entwurf des Programms:

    a) Der Entwurf zielt nicht auf eine derartige Veränderung von gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnissen, dass zukunftsfähige gesellschaftliche Reformen demokratisch eingeleitet werden. Es gibt zwar Forderungen, aber keine Kämpfe für gesellschaftliche Veränderungen. Es werden keine Akteure genannt, mit denen DIE LINKE. gemeinsam um einen Politikwechsel ringt. Daher werden die künftigen Abgeordneten auch nicht beauftragt, weiterhin die Kommunikation und Kooperation mit demokratischen veränderungswilligen Akteuren außerhalb der Parlamente zu entwickeln.

    b) Der Entwurf geht nicht bzw. nur kaum auf das gewaltige Potenzial der Europäischen Union ein, das so eingesetzt werden kann und soll, dass soziale, ökologische und globale Probleme demokratisch und gerecht gelöst werden. Es gibt aber nur die Alternative: Nutzung dieses Potenzials, um Probleme zu lösen, oder sein zerstörerischer Einsatz. Um seine Nutzung aber muss gekämpft werden, gemeinsam mit konkreten Akteuren. Für den zielgerichteten problemlösenden Einsatz der Ressourcen werden konkrete Konzepte gebraucht.

    c) Weil die Akteure politischer und sozialer Kämpfe, ihre Aktivitäten und das Potenzial der Europäischen Union bisher nicht in das Zentrum der Arbeit am Wahlprogramm gestellt sind, wird auch nicht nach Widersprüchen und Ambivalenzen in der EU-Politik gesucht. Widersprüche und Ambivalenzen aber bergen in sich Handlungsmöglichkeiten. Wenn in der EU – wie der Entwurf suggeriert - alles nur schlecht wäre, könnte DIE LINKE. lediglich protestieren, fordern und Widerstand leisten. Werden jedoch Handlungsmöglichkeiten in Widersprüchen und Ambivalenzen gesucht und aufgespürt, wird konkretes politisches Gestalten möglich.

    Nur einige Beispiele:
    - Die Präambel im Entwurf beginnt mit dem Satz: „Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union können sich bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 erstmals wieder aktiv in die Zukunft Europas einmischen.“ Bürgerinnen und Bürger aber haben gegen die Dienstleistungsrichtlinie, die Europäische Verfassung und den Lissabonner Vertrag mobilisiert. Sie demonstrieren hoffentlich in großer Zahl am 16.12. mit dem EGB in Brüssel für verantwortungsvolle und daher sozial gerechte Auswege aus der Finanz- und Wirtschaftskrise, sind im März beim Alternativgipfel anlässlich der EU-Ratstagung zum Lissabonprozess dabei und bei den Friedensdemonstrationen zum 60. Jahrestag der NATO.

    - Wir lesen: „DIE LINKE steht für einen Politikwechsel in Europa.“ Aber für den muss man gemeinsam mit anderen kämpfen, Forderungen einer Partei allein werden ihn nicht erwirken.

    - Es sollte gesagt werden: Die Europäische Union verfügt über notwendige Voraussetzungen für alternative Entwicklungen: Die 7,4 Prozent der Weltbevölkerung, die in den Mitgliedstaaten der EU leben, produzieren fast 20 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes. Ihr Anteil am Welthandel beträgt etwa 12 Prozent.15 Länder der Europäischen Union tätigen über 45 Prozent der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen und haben einen Anteil am Weltkapitalimport von über 20 Prozent. Aber zugleich stellen die Mitgliedstaaten der EU, vor allem ihre Großmächte, fast ein Viertel des militärischen Personals auf dieser Welt. Ihre Militarisierung ist destruktiv, zerstörerisch und gefährlich.
    - Praktisch können wir in dem Entwurf keine positiven Aussagen zur EU finden. Aber warum fordern in Deutschland Feministinnen die Umsetzung von EU-Leitlinien zur Gleichstellung von Frauen? Warum bestehen Behindertenorganisationen auf EU-Positionen? Warum stellen Angeordnete der Partei DIE LINKE. im Deutschen Bundestag eine kleine Anfrage zu den Zielen für die Armutsbekämpfung und die soziale Eingliederung in der EU und ihre Realisierung in Deutschland? Warum haben in Ostdeutschland und den MOE-Staaten zahlreiche Menschen gejubelt, als die EU sich gegen die politisch und ideologisch motivierte Zerschlagung und Diskriminierung von Genossenschaften in ihren Ländern wandte?
    Es kommt offenbar nicht nur „Teufelszeug“ aus Brüssel. Linke Politiker/innen sind gefordert, Handlungsmöglichkeiten im Interesse der Bürger/innen und Bürger aufzuspüren und mit ihnen gemeinsam zur Wirkung zu bringen.

    - Auffällig ist, dass im Entwurf Alternativen zur EU-Politik immer auf vertragliche Änderungen und eine Europäische Verfassung fixieren. Das ist zwar verständlich, aber engt linke Europapolitik und Aufgaben unserer Mitglieder des Europäischen Parlamentes ein.

    Um die Arbeit am Entwurf zum Wahlprogramm zu unterstützen, ein Vorschlag für eine Präambel und einen Schlussteil:


    Demokratisch und solidarisch Europa von LINKS verändern
    Wir kämpfen für ein anderes Europa
    Jede und jeder in Europa und in der Welt sollen selbstbestimmt in Würde und solidarisch miteinander leben können - das ist unser Ziel und das Ziel von vielen anderen. Angesichts von Kriegen und weltweit wachsenden Kriegsgefahren, von globaler Armut und sozialen Spaltungen, von Klimawandel und Umweltzerstörung, von politischem und religiösem Fundamentalismus, Frauenunterdrückung und erzwungener Migration, von vielfach schwindenden Möglichkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen zu können, mutet es utopisch an. Aber die Europäische Union kann Wesentliches dafür leisten, dass es schrittweise möglich wird. Dass Europa und die Welt für alle lebenswert werden, dass die großen Probleme der Gegenwart demokratisch, solidarisch und gerecht gelöst werden. Schließlich hat sie - als einer der produktivsten Wirtschaftsräume der Welt - ein politisches und ökonomisches Gestaltungspotenzial wie es die meisten Nationalstaaten nicht besitzen. Ein anderes Europa ist möglich - wenn es gelingt, die Politik und Entwicklung der Europäischen Union zu verändern, sie an Frieden und zivilen Konfliktlösungen zu orientieren, an Demokratie, Gleichstellung der Geschlechter, an sozialer Sicherheit und ökologischer Nachhaltigkeit und an einer Wirtschaft, die den Menschen dient. Dieses andere Europa kann entscheidend dazu beitragen, dass eine andere Welt möglich wird.
    Warum wir für eine andere Europäische Union streiten
    Die Europäische Union greift tief in das Alltagsleben aller Menschen in Europa ein. Gemeinde- und Stadträte unterliegen bei ihren meisten Entscheidungen Bedingungen, die durch EU-Recht vorbestimmt sind. Die Vergabe öffentlicher Aufträge wird wesentlich durch EU-Richtlinien beeinflusst. Sozialabbau und der Verlust von Arbeitsplätzen werden auf die EU zurückgeführt, undurchschaubare Regulierungen verweisen auf ‚europäische Bürokratie’. Die EU rüstet auf und steigert ihre militärische Angriffsfähigkeit. Sie vergeudet Ressourcen und belastet die überlasteten Ökosysteme. Errungenschaften früherer Zeit werden in Frage gestellt und schrittweise beseitigt. Fortschritten bei der Demokratisierung der EU stehen zunehmend autoritäre Tendenzen entgegen. Die Europäische Union ist nach Ost- und Mitteleuropa gewachsen und hat die Ausbeutung ost- und mitteleuropäischer Arbeitskräfte durch westeuropäische Unternehmen drastisch verschärft. Soziale und territoriale Spaltungen nehmen zu. Dies alles gefährdet den Prozess der europäischen Einigung.
    Die Verantwortung der Europäischen Union für die Probleme in Europa und in der Welt ist enorm, denn sie verfügt wie kaum eine andere Weltregion über notwendige Voraussetzungen für alternative Lösungen: Die 7,4 Prozent der Weltbevölkerung, die in den Mitgliedstaaten der EU leben, produzieren fast 20 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes. Ihr Anteil am Welthandel beträgt etwa 12 Prozent.15 Länder der Europäischen Union tätigen über 45 Prozent der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen und haben einen Anteil am Weltkapitalimport von über 20 Prozent. Das gewaltige ökonomische Potenzial der EU hängt insbesondere mit dem Bildungs- und Ausbildungsniveau seiner Bürgerinnen und Bürger zusammen, das weit über dem globalen Durchschnitt liegt.
    Aber zugleich stellen die Mitgliedstaaten der EU, vor allem ihre Großmächte, zu denen Deutschland gehört, fast ein Viertel des militärischen Personals auf dieser Welt. Ihre Militarisierung ist destruktiv, zerstörerisch und gefährlich: Sie spitzt Konflikte zu und schafft neue. Abrüstung ist vonnöten.
    Gerade auf dem Gebiet der Abrüstung, der zivilen Konfliktbearbeitung und der Konfliktprävention verfügt die Europäische Union über riesige ungenutzte Möglichkeiten. Die notwendige Abrüstungsdividende soll für soziale, ökologische und entwicklungspolitische Aufgaben verwendet werden!
    Notwendig und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, der innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen Lebenden, sind daher rechtliche Grundlagen, die die erforderlichen Veränderungen der EU ermöglichen und befördern. Weder der EU-Verfassungsvertrag noch der Vertrag von Lissabon haben das getan. Im Gegenteil: Der Entwurf des Lissabonner Vertrages schreibt wie schon der Entwurf zur Verfassung der Europäischen Union die zerstörerischen Entwicklungen fest. Daher hat die DIE LINKE. beide Verträge abgelehnt. Dabei übersehen wir keineswegs Fortschritte gegenüber den Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza und dass neoliberale Politik noch Schlechteres als das Lissabonner Dokument hervorbringen kann. Aber: unsere Meßlatte sind die Bedingungen für den Richtungswechsel europäischer Entwicklung und unser NEIN! ist der Protest gegen das Festhalten an neoliberaler Wirtschafts- und Sozialpolitik, gegen das Aufrüstungsgebot und die Militarisierung, gegen die Ausschaltung der Bürgerinnen und Bürger bei der Mitbestimmung über den Kurs der EU, die Kursnahme auf die ‚Festung Europa’ und gegen die Marginalisierung der ökologischen und globalen Probleme.
    Unser Protest in Worten geht einher mit Kämpfen.
    In Europa kämpfen heute viele Menschen für ihren Arbeitsplatz und ihre soziale Sicherung, für bezahlbare öffentliche Dienstleistungen und öffentliche Einrichtungen, für ihre Teilhabe an politischen Entscheidungen und am gesellschaftlichen Leben, für Frieden und die Respektierung der UN-Charta, für die Wahrung des Völkerrechts, für den Erhalt und die Gesundung natürlicher Lebensgrundlagen. Sie kämpfen für ihre sozialen, politischen und individuellen Rechte, für die Bürger- und Menschenrechte der Schwachen und Gedemütigten. Sie kämpfen für die soziale Gleichstellung der Geschlechter, für Gerechtigkeit und eine menschliche Gesellschaft.
    Diese Kämpfe richten sich letztendlich gegen neoliberale Politik und kapitaldominierte Globalisierung und gegen jene, die sie hervorbringen und an ihr festhalten - Regierungen in den kapitalistischen Metropolen und die sie tragenden politischen Parteien, Institutionen des globalen und europäischen Finanzkapitals, transnationale Konzerne, Banken, Fonds und Versicherungen, das militärische Establishment mit seinen strategischen Vordenkern und seinem militärisch-industriellen Komplex - die in der Europäischen Union Herrschenden.
    DIE LINKE. will dazu beitragen, dass die Kämpfe gegen neoliberale Politik in den Kommunen, Regionen und Mitgliedsstaaten zunehmend auch auf der Ebene der EU geführt werden.
    Die Regierenden der Mitgliedsländer bilden die Ministerräte und den Europäischen Rat - die entscheidenden Machtorgane der EU. Also nicht ‚Brüssel’ ist an allem schuld, sondern die in Brüssel agierenden nationalstaatlichen Regierungen. Die jeweiligen deutschen Bundesregierungen spielen eine wesentliche Rolle bei der Festlegung von EU-Politik: Die Regierenden unseres Landes haben einen hohen Anteil daran, dass die vertraglichen Grundlagen der EU so sind wie sie sind. Die in Deutschland Herrschenden tragen hochgradig Verantwortung für die gefährliche Entwicklung der EU. Die Europäische Union ist gar nicht so weit weg, wie immer wieder behauptet wird - ihr politischer Machtkern liegt in ihren Mitgliedstaaten. Und so sind die Bürgerinnen und Bürger nicht so machtlos, wie sie sich fühlen, wenn ‚wieder etwas Schlechtes aus Brüssel’ verlautbart wird. Sie können ihren Protest an die deutsche Bundesregierung richten.

    Was DIE LINKE. will
    Wir wollen eine Europäische Union
    - die die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung, Armut und sozialen Spaltungen und eine Vollbeschäftigung neuer Art zu besonderen Prioritäten hat
    - die auf Vernunft im Umgang mit der Natur, auf nachhaltiges Wirtschaften und globale Solidarität setzt
    - mit grundlegend reformiertem Stabilitäts- und Wachstumspakt und einem umfassenden Sozial- und Umweltpakt
    - mit demokratischen, transparenten und unbürokratischen Institutionen und Entscheidungsprozessen. Die Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen und Regionen sollen sich eingeladen sehen, die Europäische Union demokratisch mitzugestalten
    - in der die soziale Gleichstellung von Männern und Frauen Wirklichkeit ist und jegliche Diskriminierung von Menschen entschieden bekämpft wird
    - in der Menschen mit und ohne Behinderungen oder chronischen Krankheiten ihre Persönlichkeit frei entfalten und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können
    - in der alle mit der Erweiterung verbundenen Fragen solidarisch gelöst und insbesondere die Förder- und Investitionspolitik so gestaltet werden, dass soziale und territoriale Kohäsion gestärkt, Regionen in partnerschaftlicher Kooperation entwickelt und die Lebensverhältnisse im Interesse der Allgemeinheit angeglichen werden
    - in der Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Sicherheit gesichert sind, wo die Bekämpfung von Kriminalität nicht zulasten der Grund- und Menschenrechte geht. Wo das Grundrecht auf Asyl auf höchstem internationalem Standard garantiert ist und Zuwanderung als kulturelle Bereicherung unserer Gesellschaften betrachtet wird
    - wo Extremismus, Nationalismus, Rassismus, politischer und religiöser Fundamentalismus keinen Platz haben. Ein Raum, in dem demokratischer Antifaschismus Allgemeingut ist, bewusst gelebt wird, den Alltag der Bürgerinnen und Bürger prägt - die das Völkerrecht und die UNO-Charta achtet, Krieg und militärische Gewaltanwendung zur Lösung von Konflikten ablehnt, strukturell nicht angriffsfähig und frei von Massenvernichtungswaffen ist, die ihre Rüstungsindustrie auf zivile Produktion umstellt, Rüstungsexporte einstellt und ihre militärischen Kapazitäten systematisch reduziert - die auf Kooperation und Zusammenarbeit setzt und intensive partnerschaftliche Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten entwickelt - die als Teil dieser einen Welt gleichberechtigte internationale Beziehungen fördert und eine solidarische Weltwirtschaft anstrebt - die ihren Verpflichtungen zur solidarischen und gerechten Lösung der globalen Probleme, des Umwelt- und Klimaschutzes gerecht wird und umfassenden Verbraucherschutz gewährt.

    Mit unserem Ringen um die solidarische Erneuerung der Europäischen Union verfolgen wir drei große Ziele: Wir wollen die Unterordnung der EU unter die Interessen der kapitalistischen Eliten beenden und die Rahmenbedingungen für europäische, nationalstaatliche, regionale und lokale Entwicklungen demokratisch gestalten. Wir wollen das Diktat der Konkurrenz-Ökonomie zurückzudrängen und die Wirtschaft an sozialen Interessen und ökologischen Erfordernissen orientieren. Wir wollen, dass die EU ein ausschließlich ziviler globaler Akteur wird und dafür sorgt, dass von europäischem Boden in Zukunft niemals mehr Krieg ausgeht. Schritte in diese Richtung verlangen, die gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnisse zu verändern. Darauf zielt auch unser Europa-Wahlkampf.
    Die Bürgerinnen und Bürger stehen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 erneut vor einer grundlegenden Richtungsentscheidung: Soll die Entwicklung der Europäischen Union weiter durch die Politik der Herrschenden fortgesetzt werden, die droht, in europäische und globale Katastrophen zu führen? Oder werden die Bürgerinnen und Bürger mit der EU einen demokratischen Raum schaffen, in dem das andere Europa wächst. Wahlen können dazu beitragen, dass es nicht so bleibt wie es ist. Mit den Wahlen zum Europäischen Parlament kann die europäische Linke als parlamentarische Kraft gestärkt werden - als parlamentarische Kraft, die mit aller Konsequenz den gefährlichen und zerstörerischen Entwicklungen der Europäischen Union entgegen tritt und den längst überfälligen Richtungswechsel der europäischen Integration befördert.
    Jede Stimme für DIE LINKE. in Deutschland - und jede Stimme für die gemeinsame Fraktion der Linken im Europaparlament - macht die Kritik an der heutigen EU, den Protest gegen die herrschende Politik noch hörbarer. Jede Stimme für DIE LINKE. in Deutschland und für die gemeinsame Fraktion der Linken im Europaparlament hilft, die öffentliche Diskussion über gesellschaftspolitische Alternativen zu führen, europäische Erfahrungen und Kämpfe gegen die herrschende Politik zu vernetzen. Es ist eine Stimme für das andere Europa, das demokratische, das friedliche Europa, das soziale und ökologische - das Europa von Frauen und Männern, die selbstbestimmt und solidarisch miteinander und mit anderen leben wollen.
    Was die Abgeordneten der Partei DIE LINKE. im Europäischen Parlament für das andere Europa bewirken können
    Trotz der neoliberalen Mehrheit im Europaparlament konnten die Abgeordneten der europäischen Linksfraktion alternative politische Akzente setzen. So wurden z. B. Gesetzesvorschläge der Kommission, den öffentlichen Personennahverkehr zu privatisieren, und wiederholte Versuche, die Hafendienstleistungen gnadenloser Konkurrenz auszusetzen, zurückgewiesen. Unsere Abgeordneten haben Forderungen nach einer veränderten Richtlinie für die europäischen Betriebsräte erhoben und nach unbefristeten Rückforderungsmöglichkeiten für Subventionen bei Betriebsverlagerung.
    Trotz der eingeschränkten Rechte des Europäischen Parlaments gibt es Erfolge:
    So wurden z. B. im Mai 2008 die EU-‚Drittstaatenregelung’ und die EU-Regelung über ‚sichere Transitländer’, die Flüchtlingsschutz folgenschwer aushebelten, vom Europäischen Gerichtshof für nichtig erklärt. Nachdem der Rat sie beschlossen hatte, klagte das Europäische Parlament und bezog sich auf nicht gewährte Mitentscheidungsrechte.
    Solide parlamentarische Arbeit lohnt und ist selbstverständlich die vorrangige Aufgabe linker Abgeordneter. Sie werden auch weiterhin all ihre Möglichkeiten nutzen, um die Erfahrungen und Ansprüche von Menschen, die über keine einflussreichen Lobbyistenverbände in Brüssel verfügen, im Parlament zu Gehör zu bringen.
    Aber damit nicht genug: Weil die Europäische Union das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger sehr unmittelbar beeinflusst, gehört es zu den Aufgaben von Abgeordneten der LINKEN. im Europaparlament, die Bürgerinnen und Bürger über das Zusammenspiel von politischen Entscheidungen auf lokaler, nationaler und EU-Ebene zu informieren. Es gilt, die Wirkungen von EU-Politik im Alltag von Millionen Frauen und Männern, Mädchen und Jungen aufzuzeigen und über ihre Verantwortung für die Zuspitzung sozialer, ökologischer und globaler Probleme aufzuklären.

    Unsere Abgeordneten haben auch außerhalb des Parlaments gegen die Liberalisierungs- und Privatisierungspläne der Regierenden mobilisiert, so in den Auseinandersetzungen um die Dienstleistungsrichtlinie oder bei den Angriffen der Herrschenden auf die Schutzrechte der Beschäftigten. Unsere Abgeordneten in Brüssel haben die streikenden VW-Arbeiterinnen und -Arbeiter genauso unterstützt wie die Fischer in Portugal, die Hafenarbeiter in Rotterdam oder die Beschäftigten von Gate Gourmet in London und in Düsseldorf. Gemeinsam mit vielen anderen Akteuren haben die Abgeordneten der LINKEN. gegen den Abschluss von Freihandelsabkommen gekämpft, die für die Menschen in schwächer bzw. schwach entwickelten Länder verheerende Auswirkungen haben, ihren Ländern auf lange Sicht eigenständige Entwicklungen verstellen. Bei zahlreichen Friedensdemonstrationen waren unsere Abgeordneten dabei, haben in vielfältiger Form gegen Militarisierung, Kriegsvorbereitung und Kriege protestiert und opponiert. Sie haben sich immer an die Seite der Opfer von Gewalt, von Gedemütigten und Flüchtlingen gestellt.
    Immer galt und gilt es, der Strategie des globalen Konkurrenzkampfes, des bedingungslosen Wirtschaftswachstums, der zunehmenden militärischen Interventionsfähigkeit und der Abschottung nach außen Widerstand entgegenzusetzen. Immer galt und gilt es, Ansprechpartner/in für jene zu sein, die Hilfe suchen oder an politischer Kooperation interessiert sind. Immer galt und gilt es, um vernünftige Alternativen zu streiten, eine Politik der demokratischen und solidarischen Globalisierung von unten zu betreiben - für eine Europäische Union der Menschen.
    Eine Neuausrichtung der EU kann nicht allein aus dem Parlament erzwungen werden. Doch ohne eine gestärkte Linke im Europaparlament kann der notwendige Wandel nicht gelingen. Er wird möglich, wenn der politische Druck für demokratische und solidarische Veränderungen der Europäischen Union, der von lokalen Initiativen bis hin zu europäischen Netzwerken ausgeht, auch in der nächsten Legislaturperiode von linken Europa-Abgeordneten aufgegriffen wird. Wenn sie sich weiterhin um die Kommunikation, Vernetzung und Kooperation mit anderen demokratischen politischen und sozialen Akteuren bemühen.
    2) Zum Teil II. des Entwurfes „Frieden, Demokratie, Solidarität - Für ein besseres Europa“.
    Die unter 1) genannten Probleme prägen folgerichtig auch den bisherigen Text im Teil II. Hinzu kommen die Marginalisierung bzw. Ausblendung der besonderen Probleme der Bürgerinnen und Bürger in den ost- und mitteleuropäischen Mitgliedsländern, unbeantwortete Fragen nach der eigenen Positionierung und Prioritätensetzung, Fragen nach der Struktur des Teiles und seiner verschiedenen Überschriften sowie nach der Verknüpfung der einzelnen Abschnitte. An einigen Stellen sind fachliche Defizite offenkundig.
    So sind insbesondere die Einführung des Teils II und verschiedene Aussagen unter „Für eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik“ Wenig einsichtig. „Für eine solidarische Erneuerung der öffentlichen Dienstleistungen“ scheint uns im Teil I besser aufgehoben, denn hier geht es um die sozialen und demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger.
    „Für eine neue Art von Vollbeschäftigung: ‚Gute Arbeit’ für alle“ ist u. E. zu weit hinten positioniert. Die Einordnung des Absatzes „Für eine solidarische Klimapolitik“ in „Für eine verantwortungsvolle Agrarpolitik“ ist wenig überzeugend bzw. der Problematik wenig angemessen.

    Trotz der erwähnten Strukturprobleme wird aus Gründen der Vereinfachung im Folgenden der Entwurf zugrunde gelegt:

    1. Im Absatz Zeile 296-306 wird letztendlich das Ökonomische über das Soziale und das Ökologische gestellt und das Soziale wird dem Ökologischen entgegen gesetzt. Das ist nicht überzeugend. Ebenfalls schwer nachvollziehbar ist, warum die Entwicklung lebensfähiger Kommunen und Regionen und damit die Problematik strukturschwacher Regionen nicht notwendig thematisiert werden.

    Alternativ:
    „Es sind im Wesentlichen die Interessen der Konzerne, Banken und Finanzfonds, die die europäische Wirtschaftspolitik bestimmen. Die neoliberal geprägten Großprojekte ‚Binnenmarkt’ und ‚Wirtschafts- und Währungsunion’ sowie ‚Osterweiterung’ haben bestehende soziale und ökonomische Ungleichgewichte weiter verschärft und ökologische Schäden gemehrt. Zunehmende Armut und niedergehende Regionen erfordern immer mehr Haushaltsmittel, um Probleme mildern zu können. Auch wenn diese Mittel sachgerecht eingesetzt werden, bleiben sie schwindende Tropfen auf immer heißer werdenden Steinen solange die Prioritäten der herrschenden Wirtschaftspolitik nicht verändert werden.
    Die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger möchte, dass die Europäische Union ihre Arbeits- und Lebensbedingungen verbessert und zugleich hilft, dass auch in den anderen Teilen Europas und weltweit die Menschen an Lebensqualität gewinnen. Sie empfinden es als zynisch, wenn behauptet wird, die Wirtschaft leide unter ‚alternden Gesellschaften’, denn sie leiden unter mangelnder Kinder- und Familienfreundlichkeit und unter fehlenden Voraussetzungen für ein würdevolles Leben im Alter.
    Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern führen wir den demokratischen Kampf gegen Armut, soziale Ausgrenzung, gegen gesellschaftliche und territoriale Spaltungen, gegen den sozialen Graben zwischen Westeuropa einerseits und Ost- und Mitteleuropa andererseits, gegen Klimawandel, Naturzerstörung und Artensterben. Es ist ein Kampf um soziale Interessen, öffentliche Gesundheit, Bildung und Kultur, um zukunftsfähige Regionen, um Demokratie und um gesellschaftliche Solidarität. Es geht um die Unterordnung ‚der Wirtschaft’ unter die Bedürfnisse der Menschen und unter die Erfordernisse nachhaltiger gesellschaftlicher Entwicklung.“
    2. Ebenfalls alternativ zu den Zeilen 320-340:
    „Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik richtet sich zunächst gegen jene Faktoren, die die globale Finanzkrise hervorgebracht haben, gegen
    - die Orientierung am shareholder value und das enorme Ausmaß von Spekulation, die vor allem auf die Explosion von Einkommen und Vermögen – und so von liquiden Geldmitteln - in den Händen einer kleinen gesellschaftlichen Minderheit zurückgeht
    - soziale Spaltungen einerseits und die Privatisierung öffentlicher Güter andererseits, so dass selbst Menschen in unteren und mittleren Einkommensgruppen zu kapitalgedeckten sozialen Leistungen (Krankenversicherung, Altersvorsorge, Schaffung von Wohneigentum) gedrängt wurden
    - globale Ungleichgewichte in den Weltwirtschaftwirtschaftsbeziehungen und die Liberalisierung der Finanzmärkte
    - die globale Integration der Finanzmärkte, die vielfach mit den globalen Ungleichgewichten in den Weltwirtschaftwirtschaftsbeziehungen verknüpft ist.

    Sie zielt auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen, die mit ihrer Unversehrtheit, mit sozialer Sicherheit, sinnvoller Arbeit, Selbstbestimmung und Teilhabe an relevanten gesellschaftspolitischen Entscheidungen, Erhalt und Gesundung der natürlichen Lebensgrundlagen zu tun haben – lokal, regional, nationalstaatlich, EU-weit, europäisch und global. Zukunftsfähige Wirtschaftspolitik zielt darauf, weitestgehend lokale und regionale Ressourcen zu erschießen, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu entsprechen. Sie orientiert auf einen solchen Umbau der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, auf einen solchen sozialökologischen Umbau der Gesellschaft, dass zugleich soziale und ökologische Probleme gelöst und Beiträge zur solidarischen Lösung globaler Probleme geleistet werden.“

    3. Die Aussagen zur Geldpolitik sind uns nicht ausreichend:
    a) Wir halten an unserer Forderung nach Revision der Defizitkriterien und des Wachstums- und Stabilitätspakts fest.
    b) Vorrangiges Ziel der Europäischen Zentralbank ist laut EG-Vertrag die Gewährleistung von Preisstabilität. Darüber hinaus darf die EZB die Wirtschaftspolitik der EU unterstützen. Dabei ist sie ‚offener Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb’ – neoliberaler Wirtschaftspolitik - verpflichtet. So behindert die EZB aktive Beschäftigungspolitik und sozialökologisch nachhaltige Entwicklung. Diese hingegen brauchen gezielte Förderung und die Stabilisierung von Finanzmärkten. Dazu bedarf es intelligenter Zinspolitik, öffentlicher Aufsicht über die Finanzinstitute und des Engagements für entsprechende internationale Verhandlungen. c) Die EZB muss neben dem Rat und dem Europäischen Parlament in den Dialog zur europäischen Wirtschaftsstrategie verbindlich einbezogen sein. Diese bestimmt den Rahmen für die nationalstaatliche und regionale Wirtschaftspolitik und damit auch wesentlich, ob soziale und territoriale Spaltungen wachsen oder bekämpft werden.
    Die Ziele der Wirtschaftspolitik wären also neu zu bestimmen, die Aufgaben der EZB so zu erweitern, dass sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklungen befördert werden.
    4. Die Aussagen zur wirksamen Bekämpfung von Finanzkrisen wären zu aktualisieren: a) Der Finanzsektor soll für die Sanierung der Banken aufkommen, nicht die Bürger/innen. b) Die staatlichen Anteile zur Bankenrettung sollen rechtlich gesichert, die öffentliche Kontrolle über ihren Gebrauch gewährleistet und demokratisiert werden. c) Es soll die Kreditvergabe an Finanzinvestoren, die die Beteiligung bzw. Übernahme von Unternehmen konzipieren, verboten werden; schädliche Anreize wie Aktienoptionen bei der Vergütung von Arbeit sollen abgeschafft werden; auch Hedgefonds sollen dem Verbot unterliegen. d) der Handel mit Wertpapieren darf nicht mit Krediten finanziert werden. Steuern auf Finanztransaktionen sollen deren Attraktivität mindern. e) Die Angebote auf den Kapitalmärkten müssen drastisch reduziert und durchschaubar werden (Finanz-TÜV), ebenso Derivate.
    Ratingagenturen sollten – nicht nur in Krisenzeiten, sondern generell - öffentlicher Zulassung, Kontrolle und Gebührenordnung unterliegen und keine Unternehmensberatung durchführen dürfen. Es sollen öffentliche Ratingagenturen geschaffen werden.

    5. Der Absatz zur Haushalts- und Steuerpolitik wäre neu zu fassen: a) Seit langem fordern wir, wirksam gegen ruinösen ‚Steuerwettbewerb’ unter den Mitgliedsländern vorzugehen. Es wäre durchaus sinnvoll, eine gemeinsame Steuerbemessungsgrundlage und einen Mindeststeuersatz für Körperschaftssteuern einzuführen, um Standortkonkurrenz zu begrenzen. Deren Verfechter reden von ‚Harmonisierung’ lediglich der Verbrauchssteuern und sind mit den bestehenden vertraglichen Regelungen zufrieden. Wir hingegen verlangen, sie zu ändern, und sind damit nicht allein: Kritische Wirtschaftswissenschaftler/innen fordern einen Mindeststeuersatz von im Allgemeinen 40 Prozent, bzw. 30 Prozent in den ärmeren Mitgliedsländern, auf Zins- und Dividendeneinkommen sowie auf Kapitalerträge.
    b) Würden die Prioritäten der Wirtschaftspolitik in Richtung zukunftsfähiger Wirtschaftspolitik verändert, wären auch die Einnahmen des EU-Haushalts zu erhöhen und die Ausgaben anders zu gestalten. Zugleich wären die Strukturen und die Arbeitsweise der EG-Institutionen umfassend zu demokratisieren: Die Europäische Unon ist in den letzten Jahren immer größer geworden und wächst weiter. Immer mehr Bereiche wurden und werden vergemeinschaftet. Aber immer weniger entspricht der Haushalt der Europäischen Union den Bedingungen dafür, dass die gewachsene Europäische Union auch ihre gewachsenen gemeinsamen Aufgaben realisieren bzw. finanzieren kann. Die Verhandlungen zum EU-Haushalt 2007-2013 haben gezeigt, dass den Regierenden in den westlichen Nationalstaaten – vor allem in Großbritannien – folgende europäische Themen eher unwichtig sind: die Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU bei Bekämpfung von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung; nachhaltiges Wirtschaftswachstum; Energieeinsparung und solare Energiewende; ländliche Entwicklung, Forschung und Entwicklung; Ausbau einer modernen Infrastruktur; solidarische Entwicklungszusammenarbeit. c) Die Zahlungen aus dem Agrarbudget an die Bäuerinnen und Bauern in den MOE-Ländern – die eigentlichen Verlierer der EU-Erweiterung - machen nur einen Bruchteil der Zahlungen an die subventionierten Bäuerinnen und Bauern Frankreichs aus. Deutschland, Großbritannien und Frankreich erweisen sich als wenig solidarisch mit den neuen Mitgliedsländern, aber insbesondere Deutschland ist der große Gewinner an der EU-Erweiterung in Ost- und Mitteleuropa. d) Während die Bruttoinlandsprodukte der alten Mitglieder über lange Zeiträume hinweg prozentual steigen, fallen die prozentualen Anteile, die an den EU-Haushalt abgeführt werden. Zugleich expandieren die Mittel für die ‚Bekämpfung des Terrorismus’, für die ‚innere und äußere Sicherheit’, wodurch alte und neue Gefahren wachsen. e) Die Vorschriften für den EU-Haushalt müssen so geändert werden, dass im Falle einer gemeinsamen wirtschaftlichen Destabilisierung oder einer Krisensituation stabilisierend bzw. problemmildernd interveniert werden kann. Auch sind Instrumente vonnöten, um gegebenenfalls interregional umzuverteilen. f) Der Haushalt kann über eine Eigenmittel-Reform aufgestockt werden. Dabei könnte und müsste zum einen gegen ruinöse Steuerkonkurrenz und Finanzspekulation vorgegangen, zum anderen sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung befördert werden, z. B. durch Erhebung einer Steuer auf Energie aus atomaren und fossilen Energieträgern, einer Steuer auf Kohlendioxyd-Emissionen, auf Flugbenzin und einer Devisenumsatzsteuer.
    6. Der Absatz „Für eine solidarische Regional- und Strukturpolitik“ wäre mit den veränderten Aussagen zur „zukunftsfähigen Wirtschaftspolitik“, zur „Haushaltspolitik“, zur sozialen Umweltunion und den öffentlichen Dienstleistungen zu verknüpfen. Das eigentliche Problem ist: Solange die Regional- und Strukturpolitik der Lissabonstrategie untergeordnet bleiben, werden Standortkonkurrenz, Konzentration auf Leuchttürme bzw. (mögliche) Player auf den internationalen Märkten, soziale und territoriale Spaltungen erhalten bzw. fortschreiten. Es geht aber – wie bereits vorne gesagt – darum, weitestgehend lokale und regionale Ressourcen zu erschießen, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu entsprechen.

    7. Bei der Behandlung der Dienstleistungen geht es um eine Eingruppierung in I. oder einen klaren Bezug zu den Aussagen in I.

    8. „Für eine neue Art von Vollbeschäftigung ...“ wäre nach „Für eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik“ anzusiedeln. In die Zeilen 529-531 zu den lokalen öffentlichen Beschäftigungssektoren wären zwei zusätzliche Momente aufzunehmen: a) dass die Kommunen und Regionen nicht „nur“ sozial, ökologisch, sondern auch kulturell zu fördern wären, b) dass die über die öffentlichen Beschäftigungssektoren auch und insbesondere die Selbstorganisationspotenziale der Bürger/innen unterstützt werden sollen.

    9. „Für eine wirksame Sozial- und Umweltunion“ wäre entsprechend der inhaltlichen Aussagen in „Für eine soziale Umweltunion“ zu verändern. Zu ergänzen wären: a) ein Bezug auf die zuvor getroffene Ablehnung von Privatisierungen der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der Altersvorsorge, und auf die auszubauenden öffentlichen Dienstleistungen; b) die Nennung von Altersarmut in Zeile 554, c) wärmedämmender und energieeffizienter Gebäudesanierung in Zeile 563, d) die Mobilisierung von Ressourcen, um ein Mindesteinkommen einführen zu können, das nicht unter 60 Prozent der durchschnittlichen Individual- und Haushaltseinkommen liegt, im 1. Absatz, e) die Einführung schadstoffreduzierter Antriebssysteme im öffentlichen und Individualverkehr in Zeile 588.

    10. Der Abschnitt „Für eine verantwortungsvolle Agrarpolitik“ wäre mit den Ausführungen zu zukunftsfähiger Wirtschaftspolitik, zum Haushalt, zur Struktur- und Regionalpolitik und zur Entwicklungspolitik in III. zu verknüpfen. Die Unterordnung der Klimapolitik unter lediglich die Agrarpolitik überzeugt nicht. Zu ergänzen wären: a) Aussagen zur den Problemen der Bauern und Bäuer/innen in Ostdeutschland und den MOE-Staaten, b) unsere Kritik an den Vorschlägen der EU-Kommission zum Health-Check und der betriebsgrößenabhängige Kappung von Direktzahlungen, c) die Forderung nach Anpassung der Milchquote an die realen gesellschaftlichen Bedürfnisse, d) eine solche Entwicklung und Nutzung der regionalen Landwirtschaft, dass insgesamt Transportwege, Transport- und Stoffumsätze reduziert werden, e) die Ausbalancierung von Futtermittelproduktion, Tierhaltung und Belastung der Ökosysteme.

    Anlage
    Diskussionsanstoß aus der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftspolitik zur Finanz- bzw. Weltwirtschaftskrise (Tagung der AG vom 29.11.2008)
    Die Ursachen benennen und politische Alternativen hier ansetzen!
    Stellungnahmen und Positionen des Parteivorstandes DER LINKEN sowie der Linksfraktion im Deutschen Bundestag bekräftigend bzw. ergänzend unterbreiten wir folgendes Diskussionsangebot:

    1. Auslöser der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise ist eine Finanzkrise in den USA, die im Wesentlichen mit folgenden Faktoren zu tun hat:
    - mit der Orientierung am shareholder value und einem enormen Ausmaß von Spekulation, die vor allem auf die Explosion von Einkommen und Vermögen – und so von liquiden Geldmitteln - in den Händen einer kleinen gesellschaftlichen Minderheit zurückgeht
    - mit einem Fortschritt sozialer Spaltungen einerseits und der Privatisierung öffentlicher Güter andererseits, so dass selbst Menschen in unteren und mittleren Einkommensgruppen zu kapitalgedeckten sozialen Leistungen (Krankenversicherung, Altersvorsorge, Schaffung von Wohneigentum) gedrängt wurden
    - mit globalen Ungleichgewichten in den Weltwirtschaftwirtschaftsbeziehungen, insbesondere mit den riesigen Defiziten der USA in ihren Handels- und Leistungsbilanzen
    - mit der globalen Integration der Finanzmärkte, die vielfach mit den globalen Ungleichgewichten in den Weltwirtschaftwirtschaftsbeziehungen verknüpft ist.

    2. Die Regierenden in Deutschland und in der Europäischen Union haben alles getan, um diese Faktoren zu befördern, Auswirkungen aus den USA zu importieren und Folgen in ökonomisch schwächere Weltwirtschaftsregionen zu exportieren. Sie haben das Dogma von der unbeschränkten Kapitalverkehrsfreiheit gehegt und gepflegt und über lange Zeiträume hinweg nicht einmal jene Spielräume zum Krisenmanagement genutzt, die ihnen die Europäischen Verträge bieten. Mehr noch: Artikel 63 im Lissabonner Vertragstext verbietet Restriktionen des freien Kapitalflusses, Artikel 58 orientiert die Finanzinstitutionen darauf, die freien Kapitalflüsse maximal zu verwerten.
    Nun sind die Regierenden bereit, Banken zu übernehmen, den Spekulanten staatliche Subventionen und Bürgschaften zu gewähren. Sie verzichten darauf, Bedingungen im Interesse der Bevölkerungsmehrheiten zu vereinbaren und planen die Rückgabe nationalisierter Banken an den privaten Sektor.
    Das von der Europäischen Kommission am 26.11.2008 vorgelegte „Umfassende Konjunkturprogramm für Wachstum und Beschäftigung zur Ankurbelung der Nachfrage und Wiederherstellung des Vertrauens in die europäische Wirtschaft“ bleibt trotz wichtiger und daher zu begrüßender Momente kritikwürdig: Es ist der Lissabonstrategie untergeordnet und damit einer Politik, die soziale, ökologische und globale Probleme zuspitzt.

    3. Kurzfristig müssen jene Praktiken abgestellt werden, die die Probleme auf den Finanzmärkten zugespitzt haben:
    - die Verbriefung und der Handel mit Kreditpaketen sollen verboten werden
    - ebenso soll die Kreditvergabe an Finanzinvestoren verboten werden, die die Beteiligung bzw. Übernahme von Unternehmen konzipieren
    - schädliche Anreize wie Aktienoptionen bei der Vergütung von Arbeit sollen abgeschafft werden
    - auch Hedgefonds sollen dem Verbot unterliegen.

    4. Die Neuordnung des Finanzsektors ist an der Tagesordnung. Der Bank- und Kreditsektor sowie der Kapitalmarkt und der Wertpapiersektor sollen im Interesse ihrer Kontrollierbarkeit voneinander getrennt werden. Banken sollen Unternehmen mit Krediten versorgen und die Vermögen von Unternehmen und Haushalten verwalten. Wertpapierhandel ist keine eigentliche Bankfunktion und soll auch künftig kein Bankgeschäft mehr sein.
    Die Bankreform namens Basel II soll Korrekturen erfahren: a) die staatliche bzw. EU-Bankenaufsicht soll die Absicherung gegen Kreditrisiken festlegen, b) die Quersubventionierung der Schuldner soll gefördert werden, denn sie stärkt Stabilität, c) der Standardsatz notwendiger Eigenkapitalanteile soll auf mindestens 20% erhöht werden.

    5. Die Kapitalmärkte müssen entschleunigt, der Handel mit Wertpapieren darf nicht mit Krediten finanziert werden. Steuern auf Finanztransaktionen sollen deren Attraktivität mindern. Die Angebote auf den Kapitalmärkten müssen drastisch reduziert und durchschaubar werden, ebenso Derivate.
    Ratingagenturen sollten – nicht nur in Krisenzeiten, sondern generell - öffentlicher Zulassung, Kontrolle und Gebührenordnung unterliegen und keine Unternehmensberatung durchführen dürfen. Ihr Honorar soll aus einem Pool gespeist werden, den jene finanzieren, die die Aufträge zur Bewertung erteilen. Zusätzlich sollen öffentliche Ratingagenturen geschaffen werden.

    6. Die Staats- und Regierungschefs der G20 haben zwar einige Probleme richtig benannt und einige Schritte in die richtige Richtung vereinbart, aber diese gehen nicht weit genug: Die Spekulation mit Währungskursen und Rohstoffen wie Erdöl, die globalen Ungleichgewichte in den Handels- und Leistungsbilanzen wurden ignoriert bzw. marginalisiert. Die Verflechtung der Finanz- und Wirtschaftskrise mit der Klimaproblematik, mit tief greifenden Strukturkrisen und insbesondere mit einer globalen Reproduktionskrise wurde nicht notwendig thematisiert. Folglich blieben dringend erforderliche Schlussfolgerungen und Maßnahmen aus. Die Repräsentanten der führenden Industrieländer haben erneut vor allem ihre Interessen durchgesetzt.

    7. Es wäre also eine europäische Initiative gefordert, die gegen die genannten Defizite vorgeht. Allerdings sehen wir uns gerade in der Europäischen Union einer Offensive der Herrschenden gegenüber, die mit ihren Lern-, Reaktions- und Handlungsprozessen weiterhin gesellschaftspolitische Kräfteverhältnisse zu ihren Gunsten beeinflussen und die Krisenfolgen „nach unten“ delegieren wollen. Wir fordern daher nicht schlechthin „Rettungs- und Stabilisierungsaktionen für Banken und Unternehmen“ und „staatliche Konjunkturprogramme“, sondern Maßnahmen, die a) Krisenauswirkungen mildern, b) der Verflechtung der Krisenprozesse Rechnung tragen und c) strukturelle Veränderungen einleiten, die zukunftsfähige Entwicklungen ermöglichen. So treten wir für öffentliche Investitions-, Förder- und Beschäftigungsprogramme ein, die soziale und ökologische Probleme lösen, das Gewicht des Öffentlichen im gesellschaftlichen Leben erhöhen und dieses demokratisieren helfen.
    Insgesamt geht es um konsequente Schritte gegen Armut, soziale Ausgrenzung - insbesondere Arbeitslosigkeit – (wachsende) soziale und territoriale Spaltungen; gegen Natur- und Kulturzerstörung, vor allem gegen globale Erwärmung, Artensterben; gegen Entdemokratisierung, Überwachung und Repression, gegen den Verlust demokratischer Gestaltungs- und politischer Steuerungsmöglichkeiten (insbesondere durch Privatisierung öffentlicher Leistungen, Verarmung von Kommunen und Regionen), gegen Fundamentalismen/Extremismen; gegen Militarisierung und Kriege, bewaffnete Konflikte und Attacken.
    Das sind Schritte in Richtung individueller Freiheit für jede und jeden, sozialer Gleichheit aller und solidarischem Miteinanders, Vernunft im Umgang mit der Natur.
    Konkret:
    - schnellstmögliche Beendigung der Militäreinsätze von EU-Mitgliedern, unverzügliche Auflösung der Battle-Groups, ein Moratorium der Europäischen Sicherheitsstrategie, Schließung der USA-Militärbasen in den EU-Staaten, Besteuerung von Rüstungsexporten, Unterbindung von Rüstungsexporten in Krisengebiete, Kürzung von Rüstungsausgaben, Konversion, konsequente Schritte zur Demilitarisierung - insbesondere in der Entwicklungspolitik
    - Einführung armutsfester sozialer Mindeststandards, vor allem einer bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung und eines Mindestlohnes; wirksames Vorgehen gegen soziale Ausgrenzung und Diskriminierung, konsequente Maßnahmen für soziale Integration; Schaffung sinnvoller - existenzsichernder und ökologisch verantwortbarer - Arbeitsplätze; EU-europäische Strategien zu einem grenzübergreifenden Aufbau sozialer Sicherheitssysteme, der Armut, Verarmung, sozialer Ausgrenzung und Prekarisierung entgegenwirkt durch: eine konsequente Politik zur Gleichstellung von Frauen und Männern unterschiedlicher ethnischer Herkunft, Förderung von Kindern und Jugendlichen, der Familien und des Zusammenlebens der Generationen; sozial gerechte Mindestnormen, bindende Korridore für Steuer-, Sozial- und Ökologiestandards - je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Länder - und ihre mittelfristige Konvergenz nach oben; Ausbau öffentlicher Leistungen, Stärkung des öffentlichen Bereiches; Realisierung der Millennium Development Goals und einer Entwicklungspolitik, die auf weitestgehende Erschließung und Nutzung lokaler und regionaler Ressourcen zur Befriedigung von Grundbedürfnissen zielt
    - tiefgreifende Reformen in der Energie-, Verkehrs-, Landwirtschafts- und Ressourcenpolitik (besonders Wasser und Abfall); vor allem: Erhöhung der Energieeffizienz, Ausstieg aus der Atomenergie, Übergang zur vorrangigen Nutzung erneuerbarer Energien; Verringerung der Stoffumsätze, Vermeidung von Abfall, Verkehr und Lärm, Stärkung und Entwicklung regionaler Wirtschaftskreisläufe und -geflechte; Förderung und Einsatz ressourcensparender Technologien insbesondere im Verkehr; wachsender Stellenwert der Land- und Forstwirtschaft sowie des Naturschutzes in der regionalen und überregionalen Wirtschaft; qualifizierter und zielgerichteter Gebrauch ökonomischer und ordnungspolitischer Instrumente wie Verbrauchssteuern, Primärenergiesteuer, Mengenregulierung, Fördermittel, Aufträge, Subventionen, Beteiligungen, Investitionen, Übernahme in öffentliches Eigentum; Erhalt der Artenvielfalt; konsequentes Vorgehen gegen die Privatisierung und Kommerzialisierung von Naturressourcen und Leben
    - Demokratisierung politischer Entscheidungsprozesse und des Zugriffes auf Ressourcen, insbesondere durch Stärkung von Formen direkter Demokratie, Verteidigung und Ausbau der Rechte von Beschäftigten, Gewerkschaften und Verbraucher/innen.

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